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Hermann Goring Division memoirs?

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    Hermann Goring Division memoirs?

    Hi, just wondered if anyone can point me towards any HG memoirs in English (EM/ NCO preferably)?

    I'm aware of "Against the Odds" by John Stieber (thanks to Terry O'Toole and Book Lover on here), wondered if there are more out there?

    Regards, Paul

    #2
    I guess that's a no! Doesn't seem to be a great deal out there in English (memoirs that is, not histories). I thought there would be more, with according to some sources, 60,000 men going through HG at some point in it's history.

    However, I did find this on the web (though in German...), the memoirs of Hermann Lohmann who joined the HG in August 1943 and served at Anzio and other campaigns with the Artillery component.

    https://www.dhm.de/lemo/forum/kollek...daechtnis/518/

    There is a photo of him and you can see that he is wearing the un-piped white collar patches with standard Luftwaffe red piped boards as per post April 43 regulations. Through links at the bottom of the page it goes through several further pages. If you copy the link straight into the translation box on Google Translate ( https://translate.google.com/ ) you can get an English translation of sorts. It's an interesting account with contemporary diary accounts interspersed with his post war comments. At one point he says he found his foxhole in the former East Prussia decades after the war, and at another point he recollects that his unit was completely re-equipped with brand new uniforms (the field-grey tunic complete with HG cuff-title), weapons and even artillery pieces 2 weeks before the war ended!

    Comment


      #3
      Rekrutenzeit und Ausbildung

      I will post the German here in case the link dies at some point, no point in posting the English translation (just use Google Translate), as it's not that great and others may know better translation websites.
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      Rekrutenzeit und Ausbildung
      in der "Panzer-Division Hermann Göring"

      Bereits 1942 hatte ich mich unmittelbar nach der Musterung als Kriegsfreiwilliger zur "Panzer-Division Hermann Göring", einer voll motorisierten Luftwaffeneliteeinheit, gemeldet. Mein Berufsziel war der "Höhere Forstdienst." Hierfür war der Dienst in einer Eliteeinheit der deutschen Wehrmacht Voraussetzung. Für Angehörige der Division des Reichsforstmeisters Göring waren die Annahmechancen in den stark begehrten Forstberuf besonders günstig. Für die Annahme zur Division H.G. habe ich 1942 in Hamburg-Rissen eine Intelligenz- und Mutprüfung ablegen müssen. Nur diejenigen, die diese Prüfung mindestens mit "gut" bestanden, wurden angenommen.

      Meine Annahmebescheinigung zur Division H.G. verhinderte, dass ich im RAD von einer Anwerbekommission der Waffen-SS, wie viele meiner Kameraden, genötigt werden konnte "freiwillig" zur Waffen-SS zu gehen. Die Jungs wurden von der SS-Kommission regelrecht moralisch weich geklopft, indem sie sagten: "Du als deutscher Junge gehst doch wohl selbstverständlich zur Waffen-SS" und ähnliches, dem die 17-jährigen Jungs meistens nicht widerstehen konnten.

      Ich wurde nach meiner Zeit im Reichsarbeitsdienst 1943 nach Hamburg eingezogen. Von dort aus ging der Rekrutentransport mit der Eisenbahn direkt nach Holland. Am 26. August 1943 bin ich in Zivilzeug in Utrecht/Holland eingetroffen. Mein Bruder war zu diesem Zeitpunkt gerade von der Ostfront bei Leningrad (St. Petersburg) im Urlaub, als ich Soldat werden musste. Meine Mutter hat wohl bitterlich geweint, als sie nun auch den zweiten Sohn im Alter von 17 Jahren hergeben musste. Sie hat versucht, sich zu beherrschen, um mir ihren Schmerz nicht so sehr zu zeigen.

      Meinen Bruder habe ich seitdem nicht wieder gesehen. Er ist seit dem 19.1.1944 in Russland vermisst. Kameraden der Sanitätskompanie der 225.ID haben zur Erinnerung an ihre gefallenen Kameraden und auch für meinen vermissten Bruder durch den Volksbund Kriegsgräberfürsorge auf dem Soldatenfriedhof Narva/Estland Bäume pflanzen lassen.


      Am 28.8.43 schrieb ich den ersten Brief aus Utrecht:
      "Liebe Eltern u. Bruder!
      Vorgestern bin ich hier angekommen und weiß jetzt noch nicht, wo ich beikomme. (Zu welcher Waffengattung) Ich will hoffen, dass dieser Brief dort ankommt. Wir dürfen ja eigentlich noch nicht schreiben. Aber damit Ihr Euch nicht ängstigt, stecke ich diesen Brief bei einer anderen Kompanie ein. Ich stecke noch in Zivil und vielleicht auch noch einige Tage. Ihr dürft nicht wiederschreiben. Die Kasernen sind hier blendend. Auch die Stadt ist so. Mir und H. Krumstroh (Schulfreund aus Scharnebeck) geht es noch sehr gut. Viele Grüße bis auf weiteres in 4 Wochen
      Euer Hermann
      PS: Wir dürfen nicht eher schreiben."


      Gemeinsam mit drei Forstmeistersöhnen habe ich mich damals, als ich gefragt wurde, zu welcher Waffengattung ich möchte, zu den Fallschirmjägern gemeldet. Wie dumm und verblendet war man damals als Jugendlicher. Zu meinem großen Glück hatte man in Utrecht keine Fallschirmjägereinheit in der "Division Hermann Göring". Ich wurde Z.b.V. eingeteilt = Zur besonderen Verwendung. Glücklich, weil wohl schon etwas klüger, war ich, als ich zur Artillerie eingeteilt wurde. Ich habe dann bis zum Kriegsende im "Fallschirm-Panzer-Artillerie-Regiment HG" Dienst getan.

      Die Grundausbildung (stehen, gehen und marschieren lernen) fand zunächst in der Hoyel-Kaserne in Utrecht statt, wohin ich auch in Zivil eingerückt war. Als wir dort in Zivilzeug ankamen, ließ man uns erst mal vor dem Kasernentor hinlegen und hindurchrobben. Auf dem Kasernenhof spielte das Musikkorps gerade "Alte Kameraden." Ich dachte: "Na, das fängt hier ja gut an, das kann ja heiter werden." Die Grundausbildung war hart. Die von uns verlangten körperlichen Leistungen reichten bis an die Grenze der physischen Erschöpfung. Oft haben wir uns in der Kaserne an den Treppengeländern hochziehen müssen, um in die Soldatenstuben im 1. oder 2. Stock zu gelangen. Wir wurden systematisch hart gemacht, um für den Kriegseinsatz an der Front fit zu sein.

      Am 19. September 1943 wurden wir in die Krumhout-Kaserne verlegt, und es begann die Ausbildung an der LFH 18, einer leichten Feldhaubitze (Kanone), Geschossdurchmesser 10,5 cm. Zwischendurch fanden Ausmärsche zwecks infanteristischer Geländeübungen in der näheren Umgebung von Utrecht und auch auf dem Truppenübungsplatz Hilversum statt. Nach Hilversum fuhren wir mit der normalen zivilen Eisenbahn, nachdem wir geschlossen zum Bahnhof marschiert waren.

      Probleme mit der holländischen Bevölkerung haben wir jungen Soldaten nicht gehabt. Im Gegenteil, man hat uns geholfen. Ich kann mich daran erinnern, dass wir einmal eine Feldübung in einem Obstanbaugebiet hatten. Dort lagen Falläpfel unter den Bäumen. Wir haben den Obstbauern höflich gefragt, ob wir Äpfel aufsuchen dürften. Selbstverständlich durften wir uns die Äpfel nehmen. Es war den deutschen Wehrmachtsangehörigen, auch im Ausland, strengstens verboten, der Zivilbevölkerung etwas wegzunehmen. Jeder Soldat hatte in seinem Soldbuch auf der vorletzten Umschlagseite die 10 Gebote für die Kriegsführung des deutschen Soldaten. Im 7. Gebot stand u.a.: "Die Zivilbevölkerung ist unverletzlich. Der Soldat darf nicht plündern oder mutwillig zerstören." Ob diese Anweisungen immer eingehalten wurden, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich persönlich habe Übergriffe meiner Kameraden nicht erlebt. Mir sind auch Übergriffe anderer Einheiten nicht bekannt geworden.

      Ende Oktober 1943 habe ich mich als Kriegsoffiziersbewerber gemeldet. Die Offizierstauglichkeit war eine Vorbedingung für die Annahme in die Höhere Forstlaufbahn. Ich erinnere mich, dass wir noch einmal richtig geschliffen wurden. Die Schleiferei, die jetzt der Wachtmeister Endler (mir fällt sogar der Name noch ein) mit uns vornahm, war unfair und fast grausam zu nennen. Insbesondere in der Reitbahn auf dem losen Sand- und Sägemehlboden, wo man bei jedem Schritt mit den Füßen tief einsank, pflegte er uns Offiziersbewerber fertig zu machen. War er ein geistig armer Sadist oder wollte man unsere Leistungsfähigkeit testen? Einige gaben damals jedenfalls auf. Ich musste es ja durchstehen, um meinen Traumberuf "Forstmeister" zu erlangen. Körperliche Fitness konnte an der Front allerdings auch lebensrettend sein.

      Nun Auszüge aus meinen in Utrecht/Holland geschriebenen Briefen. Als Feldpost-Absender war angegeben: Soldat Hermann Lohmann Feldpost Nr. L27 134 B Luftgau Postamt Amsterdam über Bentheim.


      Am 19.9.43 schrieb ich:
      "Es ist schade, dass Heinz (mein Bruder) schon wieder weg ist (nämlich an die Ostfront südlich Leningrad). Versucht es bitte noch mit dem Urlaub zur silbernen Hochzeit (mit Beglaubigung vom Bürgermeister)."


      Meine Eltern haben am 1. Oktober 1943 ihre silberne Hochzeit gehabt und beide Kinder konnten nicht dabei sein, weil sie im Krieg Soldat sein mussten und dafür keinen Urlaub bekamen.


      Am 1.10.43 schrieb ich nach Hause:
      "Liebe Eltern!
      Heute habe ich den ganzen Tag an Euch gedacht. Hoffentlich habt Ihr gut gefeiert. Sind wenigstens alle gekommen, die sich angemeldet haben? Heute zu Eurer Silberhochzeit war der Dienst zwar nicht leicht, aber ich bin heute Abend wenigstens mal satt geworden, denn wir konnten noch einmal nachfassen. Ich muss immer daran denken, dass Du mir mal gesagt hast, Vater, ich würde froh sein, wenn ich noch einmal einen Schlag (Essen) extra beim Militär bekommen würde, als ich einmal über das Essen meckerte."

      Am 6. Oktober 1943 wurde ich 18 Jahre alt. Ich war lang und dünn. Wir Jungs hatten natürlich dauernd Hunger. Obwohl wir in Holland waren, war die Verpflegung nicht sehr reichlich. Beim Mittagessenempfang (meistens Eintopfessen) haben wir uns sofort wieder in die Schlange der Soldaten eingereiht und stehend schnell das Essen hinuntergeschlungen, um möglichst einen Nachschlag zu erwischen. Essen und satt werden war überhaupt immer ein wichtiges Thema während der Soldatenzeit.


      18.10.43:
      "Sonntag habe ich mich in der Stadt fotografieren lassen. Aber es ist alles sehr teuer - 6 Bilder 5,50 Gulden. Da könnt Ihr mal sehen, wie das Geld hingeht. Wir haben schon Wintersachen empfangen. Aber hier wird es auch schon lausig kalt."


      24.10.43:
      "Heute haben wir zwar keinen Sonntag, aber dafür einen großen Tag gehabt, denn heute habe ich den Reichsmarschall (Hermann Göring) zum ersten Male gesehen, als er uns fragte, wie alt wir wären und die Front abschritt. Anschließend hat er noch eine Ansprache gehalten. Es ist dabei auch gefilmt worden. Wenn Ihr vielleicht etwas davon in der Wochenschau seht, wisst Ihr Bescheid."

      Wir Jungens waren also damals beeindruckt und begeistert, als Göring seine Ausbildungstruppe in weißer Reichsmarschalluniform in Holland besuchte.


      28.10.43:
      "Liebe Eltern!
      Meldet mich nicht für den gehobenen Forstdienst an, wofür das Merkblatt ist, welches Ihr mir geschickt habt. Also meldet mich nur für den höheren Forstdienst an. Ich habe mich jetzt als Kriegsoffiziersbewerber gemeldet."


      1.11.43:
      "Sonntag hatten wir Ausgang in die Stadt, da konnte ich die Kuchenmarken gut gebrauchen. Ich war nämlich im Wehrmachtsheim, wo alles sehr schön und billig ist. Vielleicht ist es möglich, dass Ihr mir noch Kuchenmarken schickt. Ich habe im Wehrmachtsheim sehr schönen holländischen Butterkeks dafür kaufen können."


      Ja, wir waren zwangsläufig bescheiden. Alles war damals im Kriege rationiert. Als Lebensmittelzuteilung erhielt die Bevölkerung Lebensmittelmarken. Diese berechtigten in der aufgedruckten Menge zum Einkauf von Lebensmitteln. So gab es eben auch Kuchenmarken mit denen man sogar in Holland Kuchen kaufen konnte.


      13.11.43
      "Liebe Eltern!
      Einem besonderen Umstand verdanke ich es, daß ich heute die Zeit habe Euch einen ausführlichen Brief zu schreiben. Denn wir haben neuerdings auch Lust bekommen, auf Wanderschaft zu gehen. Es ist sehr nett von Dir, liebe Mutter, daß Du Kuchen für mich gebacken hast, doch er wird mich wohl nicht mehr erreichen. Ich hatte zwar einen Kopfschützer empfangen, aber ich habe ihn wieder abgegeben. Vielen Dank, liebe Mutter, für die Arbeit, die Du Dir bei den Handschuhen gemacht hast. Ich glaube nicht, dass es dort so kalt wird, dass ich Handschuhe brauche."





      Wegen der Geheimhaltung war es uns verboten zu schreiben, wo wir uns genau aufhielten und wohin wir verlegt werden sollten. Wenige Tage später, am 16.11.43, sind wir per Eisenbahn in Waggons nach Italien zum Fronteinsatz transportiert worden. Wir hatten vorher neue, khakifarbene Tropenuniformen bekommen.

      Wir fanden die Uniformen zwar sehr schick, weil das etwas besonderes war, aber so praktisch war diese Bekleidung in der relativ kühlen Regenzeit in Süditalien auch nicht. Wir alle, auch die Offiziersbewerber, sind dann von Holland an die Front bei Monte Cassino verlegt worden.




      Hermann Lohmann: Einsätze bei Monte Cassino und Anzio/Nettuno 1943/44
      Last edited by PaulW; 07-27-2014, 11:37 PM.

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        #4
        Einsätze bei Monte Cassino und Anzio/Nettuno 1943/44

        Dieser Eintrag stammt von Hermann Lohmann (*1925)
        aus Deutsch Evern, Februar 2010: Kriegsverlauf



        Einsätze bei Monte Cassino und Anzio/Nettuno 1943/44

        Am 16. November 1943 sind wir nach unserer Ausbildung in der "Panzer-Division Hermann Göring" per Eisenbahn nach Italien zum Fronteinsatz transportiert worden. Alle, auch die Offiziersbewerber, kamen aus Holland an die Front bei Monte Cassino.


        Am 22.11.43 schickte ich meinen Eltern einen ersten Brief aus Italien:

        "Liebe Eltern! Endlich habe ich nach 6 Tagen Bahnfahrt meine neue Unterkunft erreicht. Es war eine wunderbare Bahnfahrt durch die wunderschönen Alpen, dann die Weinberge an den Südhängen der Alpen und später als wir Oliven-, Apfelsinen- und Feigenbäume sahen, waren wir platt. Außerdem haben wir uns gewundert, dass uns auf fast jedem Bahnhof Rotwein angeboten wurde. Jetzt habe ich schon Rotwein in "Massen" getrunken und die ersten Feigen und Apfelsinen gepflückt. Hier blühen jetzt die Alpenveilchen draußen im Gebirge genauso wie zu Hause beim Gärtner. Wir liegen in einer Kapelle."


        Wir waren kurzfristig hinter der Front für 1-2 Tage in einer katholischen Kapelle untergebracht, um dann den einzelnen Fronttruppenteilen als Ersatzleute zugeteilt zu werden. Es wurde gefragt, wer Abitur oder Notabitur habe. Von denen, die sich meldeten, wurden dann einige, wie auch ich, der Beobachtungsbatterie (BB) zugeteilt. Während der Verteilung fragte ich den einteilenden Major, ob nicht mein Schulfreund Hartwig Krumstroh aus Scharnebeck auch zur BB eingeteilt werden könne. Ich hatte ihn nachts auf dem Bahnhof in Bozen wieder getroffen. Er war mit mir zusammen eingezogen und in Amersfoort/Holland ausgebildet worden. So wurde auch Hartwig meiner Einheit zugeteilt. Glücklicherweise hat er mit leichter Verwundung den Krieg überlebt. Ich hätte mir sonst Vorwürfe gemacht, damals Schicksal gespielt zu haben. Ich bin heute der Meinung, dass man in einer so gefährlichen Lebensphase nicht in das Lebensschicksal eines anderen Menschen eingreifen sollte.


        Die Aufgaben der Beobachtungsbatterie H.G. (BB-H.G.) waren:

        1.) Die Aufklärung feindlicher Artilleriestellungen

        a) durch die Lichtmessstaffel

        b) durch die Schallmessstaffel.

        Mittels eines Licht- und Schallmessverfahrens wurde der Abschussblitz bzw. der Abschussknall feindlicher Geschütze von 4-5 entlang der Front verteilten Messstellen aus beobachtet und gemessen. In der zentralen Auswertung wurde auf der Landkarte aufgrund der verschiedenen Beobachtungsrichtungen bzw. des zeitlich unterschiedlichen Eintreffens des Schalls bei den einzelnen Schallmessstellen der Standort der feindlichen Artillerie bestimmt.

        2.) Bereitstellung von Wetterdaten für die Artillerie und Flakabteilungen der Division zur Ausschaltung ballistischer Einflüsse auf die Geschossbahnen.

        Zur Erarbeitung genauer Schießbefehle für die Artillerie, um feindliche Geschützstellungen zielsicher und wirksam bekämpfen zu können, wurden auch Wetterdaten benötigt. Insbesondere waren dafür Windrichtung und Windgeschwindigkeit am Boden und in größeren Höhen wegen der dadurch erfolgenden Ablenkung der Geschosse in der Luft wichtig.

        Die Messung erfolgte mittels mit Wasserstoff gefüllter roter Wetterballons, deren Auftriebsgeschwindigkeit vorher mittels angehängter Gewichte austariert wurde. Mit Hilfe eines Theodoliten (lt. Lexikon ein Instrument zum genauen Messen von Horizontalwinkeln für niedere und höhere Geodäsie) wurden durch anvisieren des roten Ballons und messen von Winkeln Windrichtung und Windgeschwindigkeit nach Auswertung im Auswertewagen bestimmt. Die Beobachtungen einschließlich gemessener Temperaturen wurden in einer Wettermeldung, der sogenannten "Barbarameldung" zusammen gefasst und telefonisch an das ArKo= Artilleriekommando durchgegeben, das die Feuerbefehle erstellte.

        3.) Herstellung und Beschaffung von Kartenmaterial für die Stäbe und Truppe.

        Dafür war in der BB-H.G. ein Druckerei- und Vermessungstrupp vorhanden, der Landkarten der jeweiligen Frontgebiete für die Division zu erkunden und zu drucken hatte.


        Beim Wettertrupp

        Ich hatte also großes Glück, einem solchen "Intelligenzhaufen" zugeteilt zu werden. Weiteres Glück hatte ich, als dann später bei der Einheit gefragt wurde, wer Ahnung von Wetterkunde habe. Ich habe mich gemeldet, weil ich mich schon immer für Meteorologie interessiert hatte und ich auch gerade im Johanneum in Lüneburg entsprechenden Unterricht gehabt hatte. So kam ich gemeinsam mit Franz Heieis als Ersatz zum Wettertrupp der BB-H.G. Der Wettertrupp bestand aus 8 Soldaten (1 Unteroffizier, 1 Kraftfahrer und 6 Wettermesser).

        Es war eine schöne kleine relativ selbstständige Gruppe Wir Wetterfrösche, wie wir uns nannten, haben uns immer gut verstanden und uns gegenseitig geholfen. Mit den noch lebenden Kameraden habe ich heute noch Kontakt. Ich war also bei einer technischen Aufklärungseinheit, die normalerweise etwas rückwärtig der HKL (Hauptkampflinie) im Einsatz war.


        Am 25.11.43 schrieb ich meinen Eltern aus Italien (Feldpoststempel 27.11.43):

        "Ich bin nun auf meiner neuen Dienststelle angekommen. Ich habe es, glaube ich, sehr gut getroffen. Zu essen haben wir hier reichlich. Vor allem Apfelsinen, Wein, Schnaps, Zucker usw. Unsere Unterkunft ist hier sehr gut. Von den Italienern kann man noch alles andere bekommen, wie z.B. Feigen, Äpfel, Eier, geschlachtete Hühner usw."

        Zur Beruhigung meiner Eltern habe ich damals wohl leicht übertrieben. Allerdings teilten wir uns damals bei St. Apollinare / Cassino mit Italienern ein Doppelhaus. Es war ein harmonisches Zusammenleben, welches allerdings nicht sehr lange dauerte. Die Ereignisse an der Front zwangen uns zum Stellungswechsel und die Italiener zum Verlassen ihres Hauses. Die Italiener hatten in ihrer Haushälfte einen Artillerietreffer in die dort noch übliche Kaminfeuerstelle bekommen. Entsetzt und rußgeschwärzt wie Schornsteinfeger kamen sie Hilfe suchend zu uns herüber. Glücklicherweise war aber niemand verletzt.

        Weiter schrieb ich: "Hier bei uns regnet es fast jeden Tag. Neulich hatten wir fast 27° Wärme." Es war die Regenzeit in Süditalien. Tagelang regnete es so stark wie hier bei Gewitterregen. Das Wasser stürzte in den Hohlwegen in reißenden Bächen bergab.


        Damit wir unsere Barbara-Meldung absetzen konnten, hatten wir einen Funktrupp zugeordnet bekommen. Das war für bewegliche Fronten schon wichtig, damit die Artillerie- und Flak-Batterien ihre Meldungen bekamen, die nach einem vereinbarten Schlüssel alle 2 Stunden gesendet wurden. Nachteilig für uns allerdings war, dass die Gegner ein hoch entwickeltes Funk-ortungsverfahren besaßen. So wurde der Standort unseres Funktrupps bereits nach dem 1. Funkspruch angepeilt und die ersten Granateinschläge der feindlichen Artillerie saßen verdammt genau.

        Wir bauten dann eine Fernsprechleitung in Verbindung mit dem Fernsprechtrupp des Artillerie-Regiments bis zum Fluss Liri, der überquert werden musste. Für diesen Teil der Leitung mussten wir auch die Entstörung übernehmen, denn die Fernmelder vom Artillerie-Regiment konnten den Fluss wegen des Hochwassers nicht überqueren. So waren wir Tag und Nacht zusätzlich mit der Aufrechterhaltung der Telefonverbindung beschäftigt. Sehr oft ist es vorgekommen, dass ein Störtrupp noch gar nicht wieder zurück war und die Leitung schon wieder unterbrochen war. Vielfach lag die Störung auch auf der anderen Flussseite für die das Regiment zuständig war. So hatten wir große Probleme mit der Aufrechterhaltung einer Verbindung zu unseren Einheiten und wir entschieden uns schließlich für einen Stellungswechsel nach St. Giorgio.

        Hier ein persönliches Erlebnis aus dieser Zeit: Es war wieder einmal unsere Telefonleitung zerschossen. Ich musste auf Störungssuche gehen. Mühsam bewegte ich mich mutterseelenallein in dem durch Artillerieeinschläge aufgewühlten, zerschossenen, matschigen Gelände, den Stahlhelm auf dem Kopf, die Telefonleitung in der Hand, sofern sie nicht gut zu sehen war, und das Feldtelefon umgehängt immer der Leitung entlang. Dabei war ich immer darauf bedacht, bei Artilleriebeschuss in den nächsten Einschusstrichter springen zu können.

        Überhaupt konnte man bei Monte Cassino nicht einen Schritt tun, ohne vorher nach der nächsten Deckungsmöglichkeit zu suchen. Ich hatte von den alten, Front erfahrenen Kameraden schon gelernt und aus eigenem Erleben bestätigt bekommen: Bei langem Pfeifton sind die Artilleriegeschosse noch weit weg und du brauchst dich nicht einmal zu bücken. Wenn es kurz und energisch pfeift, schnell in Deckung werfen und wenn du das Pfeifen nicht hörst, bist du tot. Das Letztere habe ich glücklicherweise nicht erlebt. Das war so ein realitätsbewusster Soldatenschnack (Galgenhumor).

        Als ich einmal bei der Nässe in all dem Dreck und Matsch endlich das andere Kabelende gefunden hatte und beide Leitungen an das Feldtelefon anklemmte, kriegte ich einen gewaltigen elektrischen Schlag. Am anderen Ende hatte mein Schulfreund Hartwig Krumstroh an dem Feldtelefon gekurbelt. Das war mein erster Kontakt mit meinem Schulfreund Hartwig, der in einem Schallmesstrupp gelandet war. Wegen des Stromschlags habe ich ihn damals tüchtig beschimpft. Ich war aber froh, nach mehreren zerschossenen Kabelstellen endlich die Störungssuche in dem matschigen, mit wassergefüllten Granattrichtern übersäten Gelände endlich beenden zu können. Wenige Tage später erkannte ich immer deutlicher, wie verheerend die Materialüberlegenheit der alliierten Truppen, bestehend aus Amerikanern, Engländern, Franzosen, Polen (Anders-Armee), Kanadiern, Neuseeländern, Marokkanern, Indern u. anderen Truppen war, die bei Cassino gegen uns kämpften. Wir konnten uns tagsüber kaum frei bewegen, ohne Gefahr zu laufen, von feindlichen Flugzeugen an jedem Ort des Frontgebietes selbst als einzelner Soldat angegriffen zu werden.

        Hierzu ein am eigenen Leibe erlebtes Beispiel: Bei St. Giorgio, wohin wir inzwischen verlegt worden waren, war ich mittags mit einem Essenskanister auf dem Rücken zur Feldküche geschickt worden. Als ich mit dem mit Suppe gefüllten Kanister auf dem Rückweg war, griff mich bei strahlend blauem Himmel im Sturzflug, obwohl ich ganz alleine war, ein Jabo (Jagdbomber) an und klinkte 2 Bomben auf mich aus. Ich sehe heute noch, wie die Bomben auf mich losstürzten und sich dabei drehten und in der Sonne spiegelten. Geistesgegenwärtig sprang ich schnell in eine schmale Pflugfurche und machte mich ganz lang, nur der Essenskanister ragte wohl noch hervor. Eine Bombe schlug rechts und eine links von mir ein und dann lief es mir heiß über den Rücken. Ich dachte, ich wäre schwer verwundet und mein Blut liefe mir über den Rücken. Die Bombensplitter hatten aber nur den Suppenkanister durchlöchert und die heiße Suppe lief mir über den Rücken. Ich blieb dank meiner schnellen Reaktion unverletzt.

        Persönlich habe ich die ganze Macht der feindlichen Artillerie gespürt, als wir 36 Stunden lang im Bereich eines Trommelfeuers lagen. Es wurde von den Alliierten vor allem der nahe liegende Monte Camino beschossen, auf dem nur ein Zug Soldaten von uns lag. Sie schossen auch mit Phosphorgranaten, so dass wir nachts sehen konnten, wie der leuchtende, brennende Phosphor den Berg herablief. Verwundungen durch Phosphorgranaten sind grausam und furchtbar schmerzhaft. Von deutscher Seite sind meines Wissens im 2. Weltkrieg keine Phosphorgranaten eingesetzt worden.

        Damals, Anfang Dezember 1943, wurde mir sehr schnell klar, dass der Kriegsverlauf von den materiell weit überlegenen Alliierten diktiert wurde und wir Deutschen nur noch eine Zeitlang zur Verteidigung fähig sein würden. Der Krieg war nicht mehr zu gewinnen, sondern wurde nur noch verlängert. "Welch ein Wahnsinn" denke ich heute und wie viele Menschen sollten noch leiden und sterben müssen.

        Wenn man heute auf dem deutschen Soldatenfriedhof Cassino die Namen der gefallenen Kameraden liest und die Soldatenfriedhöfe anderer Nationen rund um die Abtei Monte Cassino sieht, fragt man sich, warum das alles geschehen musste. Wie dankbar können wir sein, dass wir seitdem über 60 Jahre Frieden haben. Möge er uns noch lange erhalten bleiben.

        Kurz vor Weihnachten, am 15. Dezember 1943, schrieb ich zwecks Beruhigung meiner Eltern: "Liebe Eltern, macht Euch bitte keine Sorgen um mich, wenn Ihr unter dem Tannenbaum sitzt. Da stellt nur Radio an und hört Weihnachtslieder. Wir haben hier nämlich auch ein Radio und zufällig auch Strom. Nur einen Christbaum haben wir nicht. Wir müssen schon einen Pinienbaum nehmen."


        Weihnachten bei Monte Cassino

        Wir waren inzwischen nach Pignataro, nahe der Abtei Monte Cassino, verlegt worden und hatten im Obergeschoß einer Mühle, wo die Wohnung unbewohnt war, Quartier bezogen. Zu Weihnachten war es uns gelungen mittels eines Stromaggregates der Beobachtungsbatterie elektrischen Strom zu erzeugen und diesen mittels mehrerer Telefonkabel in die Mühle zu leiten. So hatten wir Strom und die italienische Bevölkerung, soweit sie noch im Frontbereich geblieben war, konnte zu Weihnachten noch einmal Weizen zu Mehl mahlen. Aus der ganzen Umgebung kamen Menschen mit Getreidesäcken und waren glücklich, zu Weihnachten Weizenmehl zu bekommen.


        Italien, den 19.12.43:

        "Liebe Eltern, nach langer Zeit kann ich mal wieder bei elektrischem Licht einen Brief schreiben. In 5 Tagen ist schon Heiligabend. Aber hoffentlich macht Ihr Euch keine Sorgen. Ich habe nämlich alles, was Ihr Euch denken könnt: Süßwein, Braten, Nüsse, Apfelsinen, Christbaum und Süßigkeiten mit wunderbarem Kuchen. Wir haben nämlich hier eine italienische Familie kennen gelernt, die aus England vertrieben worden ist, als der Krieg kam und daher englisch spricht. Wir haben bereits Mehl, Süßwein, Weißwein, Rotwein und Weißbrot von Ihnen bekommen und Weihnachten wollen sie noch Kuchen für uns backen."


        27.12.43

        "Am ersten Weihnachtstag abends waren wir bei unseren Italienern eingeladen, von denen wir auch das Radio haben. Es gab Gänsebraten, Karnickelbraten, feines Gebäck und verschiedene Weine."


        Neujahr 1944

        "Liebe Eltern, hoffentlich seid Ihr alle gut ins neue Jahr gekommen, was ich von mir wohl behaupten kann. Wir haben zusammen mit der italienischen Familie gefeiert, die wir diesmal zu uns eingeladen haben. Zuerst haben wir jeder ein schönes Stück Lammbraten gegessen. Dazu gab es Rot-, Weiß- oder Süßwein. Zuletzt einen eisernen Schnaps, so dass wir um 22 Uhr schon fast alle etwas blau waren. Endlich war es 24 Uhr, wir hatten kaum unseren Steinhäger weg, als es plötzlich ein Krachen an der ganzen Front war. Der Tommy und wir schossen Salut. Auch wir schossen mit Karabinern in die Luft. Du schreibst mir, lieber Vater, dass ich in Lüneburg soweit angenommen bin für den höheren Forstdienst und meine Papiere in Berlin sind. Ich habe mich sehr gefreut. Vom Spieß (Hauptwachtmeister) habe ich auch schon Bescheid bekommen, dass ich mich untersuchen lassen muss."


        Weihnachten und Neujahr war es an der Front bei Cassino relativ ruhig. Wir lebten deshalb auch als Soldaten verhältnismäßig gut.

        Die Familie Rossi haben wir kurze Zeit später mit ihrem wichtigsten Hausrat auf einem Wehrmachtslastwagen zu Verwandten in die Nähe von Rom gebracht, als es in Pignataro immer gefährlicher wurde. Fritz Speckmann hat sie begleitet. Der Wehrmachtslastwagen musste aus der Nähe von Rom Material holen, so dass die Gelegenheit für die Familie Rossi günstig war. Eigentlich war es nicht erlaubt, Zivilpersonen auf Wehrmachtsfahrzeugen zu befördern. Aber es wurde wohl nicht so eng gesehen, wenn die Fahrzeuge sowieso leer ins Hinterland fuhren. Das Haus der Familie Rossi erhielt schon am nächsten Tag einen Artillerievolltreffer.





        Wenn man heute dort oben auf dem Friedhof steht und der gefallenen Kameraden gedenkt, fragt man sich: Wozu musste das sein? Das war doch sinnlos.


        Neujahr 1944 konnte ich einem Urlauber einen Brief aus Pignataro/Cassino mitgeben und daher das schreiben, was sonst wegen der Geheimhaltung verboten war:

        "Liebe Eltern!
        Ich bin kein Kanonier mehr, sondern Wettermesser und Prophet. Ich schimpfe mich zwar noch Kanonier, habe aber mit Kanonen nichts mehr zu tun. Wir sind hier im Wettertrupp 6 Wettermesser. Ich liege noch 15 km (ich habe 10 km in dem Brief mit 15 überschrieben, in Wirklichkeit waren es meistens ca. 5-7 km) hinter der Front, so dass wir nur ganz selten Beschuss kriegen. Von unserem Fenster aus kann ich Cassino sehen.
        Viele Grüße aus Italien Euer Sohn Hermann"


        Na ja, so beruhigt man seine Eltern. Ganz so harmlos war es dort, wenn auch ca. 5-7 km hinter der HKL (Hauptkampflinie), ja nun auch nicht. Unser roter Wetterballon, der nur ca. 1 m Durchmesser hatte und mit Wasserstoff aufgeblasen war, wurde oft von alliierten Fliegern abgeschossen. Oftmals gab es auch einen gezielten Feuerüberfall durch Artilleriebeschuss, wobei nur instinktives, schnelles sich auf den Boden werfen half, um den Granatsplittern zu entgehen. Einmal fegten sogar Splitter durch das hölzerne Dreibeinstativ des Theodoliten. Die verwachsenen Splittereinschläge in den benachbarten Bäumen waren 1975 nach 31 Jahren noch gut zu erkennen. Die Materialüberlegenheit der Alliierten war gewaltig.


        Italien, 4.1.44
        "Mit der Forstsache ist es ja sehr nett vorangegangen, denn auf dem Vordruck für die ärztliche Untersuchung stand schon, dass ich nicht erst zur Vormerkung sondern gleich zur Zulassung untersucht würde. Aufgrund der Aufforderung mich beim Arzt untersuchen zu lassen, war ich beim Truppenarzt, der aber hier nicht die nötigen Geräte hat. Ich fahre deshalb übermorgen in ein Lazarett, welches weiter rückwärts von der Front liegt."


        Italien, 8.1.44
        "Vorgestern war ich zur Untersuchung auf Forsttauglichkeit bei Rom mit dem Erfolg, dass ich forsttauglich geschrieben wurde."


        Die Zulassung zum höheren Forstdienst wurde unmittelbar nach Kriegsende im Oktober 1945 durch das Landesforstamt in Sarstedt widerrufen, weil die Ostgebiete verloren waren. Außerdem mussten geflüchtete, sowie die aus der Wehrmacht entlassenen Förster und Forstanwärter vorrangig untergebracht werden. So war es für mich aussichtslos geworden, meinen Traumberuf ausüben zu können.

        Am 22. Januar 1944 landeten die Alliierten mit 36.000 Mann und 3.250 Fahrzeugen bei Nettuno im Hafen von Anzio, unterstützt von 10 Kreuzern und 20 Zerstörern mit ihren Schiffsgeschützen. Wir wurden etwa am 31. Januar 1944 in die Nähe des alliierten Landekopfes zunächst nach Albano-Genzano bei Castel Gandolfo, dem Sommersitz des Papstes, verlegt.


        Von dort schrieb ich am 2.2.44:
        "Wir haben augenblicklich ein ganz prima Leben. Wir wohnen in einer wunderschönen Villa, von wo aus man an klaren Tagen einen wunderbaren Blick über die Ebene (gemeint sind die trockengelegten und kultivierten ehemaligen pontinischen Sümpfe) zum Mittelmeer hat. Ich wohne mit noch einem Kameraden zusammen in einem Zimmer mit wunderbaren Möbeln und Betten mit Federmatratzen. Außerdem ist in diesem Haus Wasserleitung und Zentralheizung, die aber nicht mehr funktioniert. Oben auf dem Dach ist ein wunderbarer Blick über riesige Olivenhaine. Wie vom Flugzeug aus sieht man alles und an klaren Tagen sogar die Schiffe auf dem Meer (die alliierte Landungsflotte, gegen die wir machtlos waren, weil wir kaum noch Flugzeuge hatten. Die Alliierten hatten die absolute Luftherrschaft.
        Nun recht herzliche Grüße Euer Sohn Hermann."


        Bei aller Begeisterung für die schöne Landschaft der Gegend um Albano waren wir ständig den Angriffen feindlicher Flugzeuge und dem Beschuss der Schiffsgeschütze mit den 40-cm-Granaten, die sehr große Löcher rissen, ausgesetzt. Kurz darauf wurden wir näher an der alliierten Landungsstelle Nettuno eingesetzt. Unsere Unterkunft war damals ein einzeln liegendes Haus bei Doganella/Ninfa. Wir wohnten dort gemeinsam mit einer italienischen Familie namens Scaini, die nicht geflüchtet war. Es war ein sehr harmonisches Verhältnis. Die Familie bestand aus 7 Personen: Großeltern, Eltern und 3 Kinder.

        Eine kuriose Begebenheit fällt mir dabei ein: Als wir dort einzogen, gab es wie üblich keine Toiletten. Das erste, was wir Landser bauten, und zwar unter den staunenden Blicken der italienischen Landbevölkerung, war ein so genannter "Donnerbalken". Es wurde eine längliche Grube gegraben, über die in Sitzhöhe ein Holzbalken angebracht wurde. So konnte man bequem "Abprotzen", wie wir Soldaten das nannten. Manchmal war gegen umherfliegende Granatsplitter, wie auch bei Cassino, ein Splitterschutz aus Felssteinen erforderlich, um dabei Ruhe zu haben. Bei Verlassen der Stellung konnte man die Grube zuwerfen und somit die menschlichen Exkremente umweltfreundlich beseitigen. Bei längerem Aufenthalt an einem Ort wurde auch zwischendurch etwas mit Erde abgedeckt, um Geruchsbelästigungen und Fliegenplagen zu vermeiden.






        Am 28.2.44 schrieb ich:
        "Liebe Eltern! Heute Mittag erhielt ich die traurige Nachricht in einem Brief von Mutter vom 17.2. und außerdem einen von Vater, dass Heinz in Russland vermisst ist. Ich war zuerst recht niedergeschlagen, hoffe aber, dass er gesund in russische Gefangenschaft gekommen ist und später einmal nach dem Kriege nach Hause zurückkehren kann. Diese feste Hoffnung aber gibt mir weiterhin Kraft, dass ich über den Schmerz hinwegkomme. Wolle Gott, dass er einst nach diesem großen Kriege gesund in die deutsche Heimat zurückkehren möge.
        Liebe Eltern, Ihr meint, dass ich Urlaub einreichen solle. Aber augenblicklich ist nichts zu machen, denn es ist Urlaubssperre."


        Am 5.3.44 schrieb ich noch in einem flüchtigen Brief:
        "Liebe Eltern! Ich will Euch schnell ein paar Zeiten schreiben, weil ich weiß, dass Ihr Euch ängstigt, wenn ich mal ein paar Tage nicht schreibe."


        Kurz danach ist unsere Division aus dem Fronteinsatz im Raum Nettuno-Cisterna zwecks Auffrischung (Personal- und Materialergänzung sowie Kampfruhe) in den Raum Lucca, Pisa, Livorno, etwa 250 km nordwestlich von Rom, an die Küste Liguriens verlegt worden.




        Hermann Lohmann: Als Soldat in der Toskana 1944

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          #5
          Als Soldat in der Toskana 1944

          Als Soldat in der Toskana 1944

          Im März 1944 ist unsere "Panzerdivision Hermann Göring" aus dem Fronteinsatz im Raum Nettuno-Cisterna zwecks Auffrischung (Personal- und Materialergänzung sowie Kampfruhe) in den Raum Lucca, Pisa, Livorno, etwa 250 km nordwestlich von Rom, an die Küste Liguriens verlegt worden.


          Am 11.3.1944 schrieb ich wahrscheinlich aus Montecatini Terme:
          "Liebe Eltern, ich konnte leider nicht eher schreiben, weil wir in eine andere Gegend gewandert sind. Hier, wo wir jetzt liegen, ist es im Gegensatz zu Süditalien sehr schön. Ihr braucht jetzt keine Angst mehr zu haben, denn wir liegen in R...e (gemeint war Ruhe, ich habe wohl als zur Geheimhaltung verpflichteter Soldat nichts Genaueres zu schreiben gewagt)."

          Auf dieser Fahrt in die schöne Toskana habe ich einiges von Italien gesehen, obwohl wegen der Luftüberlegenheit der Alliierten und der Gefahr der Jabo-Angriffe überwiegend nachts gefahren wurde. Sofern tagsüber gefahren wurde, musste immer ein Kamerad auf dem Kotflügel des Lkw sitzen, um Luftangriffe rechtzeitig erkennen zu können. Nur durch sofortiges Abspringen vom Fahrzeug und schnelles Deckung suchen in Bodenvertiefungen konnte man sein Leben retten.


          Am 22.3.1944 hatte ich Gelegenheit, Heinrich Burmester aus Elmshorn, der in Urlaub fuhr, einen Brief mitzugeben:
          "Liebe Eltern! Mir geht es hier noch sehr gut, was ich auch von Euch hoffe. Wenn es nur unserem lieben Heinz (mein Bruder Heinz Lohmann ist seit dem 19.1.1944 bei St.Petersburg in Russland vermisst) gut gehen würde. Hoffentlich habt Ihr schon etwas durch den Kraftfahrer über Heinz erfahren. Der weiß doch sicher näheres über sein Schicksal. Hoffentlich geht es ihm noch gut.

          Wegen Urlaub habe ich unseren Unteroffizier schon gefragt und der hat gesagt, dass er mal mit dem Spieß (Hauptwachtmeister) darüber sprechen würde und von ihm aus könnte ich sofort fahren, wenn einer von den beiden, die auf Urlaub sind, zurückkommt. Ich kann nämlich so nicht von der Arbeit weg und wenn ein Urlauber zurückkommt, kann einer fahren."


          Meine Urlaubshoffnungen haben sich nicht erfüllt. Im Juni 1944 war wieder Großkampf mit Urlaubssperre und anschließend folgte der sehr strapaziöse Rückzug in die Po-Ebene.

          Italien, 27.3.44
          "Liebe Eltern! "Gestern war Sonntag und da haben wir einen kleinen Spaziergang in die Gegend gemacht. Wo man auch hinsieht, sind Neuanpflanzungen von wunderbarem Toskanawein und dazwischen Korn- und Blumenkohlfelder. Im Hintergrund die Appenien, so dass diese Gegend hier sehr interessant ist. Wenn man in ein Haus kommt, hat man, ehe man sich versieht, schon ein Glas mit schönem Toskanawein vor sich stehen. So etwas wird Euch wohl sehr komisch vorkommen, weil es dort bei Euch ja schon gar keinen Wein mehr gibt und schon lange keinen so schönen, wie wir ihn hier haben. Wenn ich in Urlaub kommen sollte, ist es klar, dass ich Wein mitbringe. Vor allem werde ich sehen, etwas Marsalla mit Ei zu bekommen, der so ähnlich wie Likörschmeckt. Ein ¾-Liter kostet etwa 6,5o Mark. Also könnt Ihr Euch vielleicht denken, wie der schmeckt (wahrscheinlich war das relativ teuer). Gestern war ich mit noch 2 Kameraden in der Kirche und habe sie mir angeschaut. Ich war recht über die Schönheit dieser Kirche erstaunt. Ich habe mich gefreut, dass ich die Kirche gesehen habe."


          Aus meinem Brief spricht eine große Begeisterung für die Toskana. Diese Landschaft kann mich auch heute noch immer wieder begeistern.


          Am 1. Mai 1944 habe ich wieder einem Urlauber, wahrscheinlich Willi Busch aus Recklinghausen, einen Brief mitgegeben:
          "Liebe Eltern! Ich liege hier schon 1½ Monate in Ruhe in der Gegend von Pisa (Perignano) und zuerst in Pescia. Wie ich sicher schon oft geschrieben habe, ist es hier eine ganz nette Gegend. Neulich war ich ein paar Tage zur Aushilfe bei der Lichtmessstelle. Ich lag auf den Bergen hinter Livorno. Es ist dort ein sehr schöner Blick auf die See und Livorno."

          "20.4.44: Wunderschön ist es hier oben, wo man so über die bewaldeten Höhen hinsieht, die ab und zu von grünen Wiesen unterbrochen werden. An den steilen Hängen der Südseite blühen schon viele Alpenveilchen. Das Meer hat man hier so wunderbar zu Füßen liegen, dass es eine Freude ist, auf das Meer hinauszuschauen. Es ist hier eine richtige Erholung."

          "25.4.44: Hier ist jetzt alles durch den Wind ausgetrocknet und kein Regen fällt mehr vom Himmel, der fast jeden Tag jetzt herrlich dunkelblau ist - viel blauer als zu Hause bei Euch. Das dunkelblaue Meer bildet mit den weißen und gelben italienischen Häusern, die oft von Palmen am Meer umgeben sind, ein wirklich herrliches Bild."


          Unsere militärische Aufgabe bestand darin, die alliierte Kriegsflotte zu beobachten, die vor Livorno auf dem Mittelmeer kreuzte. Die Beobachtung erfolgte mittels Scherenfernrohr, um rechtzeitig vor einer Landung der Alliierten warnen zu können. Die absolute Luftherrschaft erlaubte den Alliierten, ihre Kriegsschiffe auch am Tage ungeniert vor unseren Augen außerhalb der Reichweite der deutschen Artillerie kreuzen zu lassen. Hier wurde uns deutschen Soldaten wieder vor Augen geführt, dass der Krieg für uns verloren war. Hatte eine hinhaltende, Kriegsverlängernde Verteidigung noch Sinn? Aber als Soldat hat man zu gehorchen und nicht über Politik nachzudenken.


          Am 1.5.44 schrieb ich:
          "Vorgestern haben wir wieder einmal ganz neue Uniformen bekommen. Jetzt haben wir grün (vorher luftwaffenblau), Skihose und Mütze und Heeresrock mit Luftwaffenadler. Eine ganz fabelhafte Uniform. Hoffentlich komme ich mit dieser Uniform einmal in Urlaub. Ihr glaubt gar nicht, wie gut die Uniform sitzt. So eine gut sitzende Uniform habe ich noch nie gehabt."

          Ich wundere mich heute, dass ich mich damals für die Uniform so begeistern konnte. Verständlich ist es vielleicht, weil wir, außer der neuen Tropenuniform, bisher nur von anderen Soldaten bereits getragene und gereinigte blaue Luftwaffenuniformen gehabt hatten.

          Neben unserem Quartier der Villa Luisa wohnte, wie auch heute noch, die Familie Ricchi, die ich bei unserem Aufenthalt nebenan in der Villa Luisa kennen gelernt hatte. Ich hatte mich besonders mit dem Vater der Familie namens Pompeio angefreundet. In einem Brief vom 15.5.44 erwähnte ich sie zum ersten Mal:
          "Ich habe hier eine sehr nette Italienerfamilie kennen gelernt, von denen ich so allerhand kriege, wie Obst, Wäschewaschen usw. Also das passt mir gerade so recht. Ich kann mich mit den Italienern schon recht gut verständigen und einige haben mich schon gefragt, ob ich Italiener wäre, aber so ist es ja doch noch nicht."


          Es wundert mich heute, dass ich so fleißig geschrieben habe. Bis dahin hatte ich also 1944 alle 2,4 Tage einen Brief geschrieben. Diese vielen Briefe dienen mir heute als Tagebuch meiner Kriegserlebnisse.


          21.5.44:
          "Heute haben wir nach langer Zeit mal wieder Kartoffeln gehabt. Aber die Makkaroni habe ich auch schon gewaltig satt. Das Haus (in Echem) ist ja wohl schon ganz schön wieder voll, wo jetzt die Bombengeschädigten auch bei uns wohnen. Es ist doch jetzt sicher wieder sehr unruhig im Haus, aber es ist eben nichts dran zu machen, denn Krieg ist Krieg."


          Tieffliegerangriff

          Erst am 27.5.44 konnte ich den nächsten Brief schreiben. Unsere Division war am 23.5.44 im Alarmmarsch wieder an die Front bei Valmontone befohlen worden, weil die Alliierten am 22.5.1944 zum Großangriff angesetzt hatten, um endlich Rom zu erreichen. Wegen der Eile war auch Tagesmarsch befohlen - ein verhängnisvoller Führungsfehler. Infolge der Luftherrschaft der Alliierten erlitt besonders das Fallschirm-Panzerartillerie-Regiment H.G. durch Tiefflieger hohe Verluste, insbesondere an Material. Die Verluste an Menschen waren relativ gering. Auch unser Wetterwagen (Opel-Blitz-Lkw mit geschlossenem Kastenaufbau für die Geräte und Mannschaften) wurde am 23. Mai auf der Via Aurelia bei Follonica gegenüber von Elba in Brand geschossen. Wir konnten uns glücklicherweise nach Warnung unseres auf dem Kotflügel sitzenden Kameraden als Fliegerbeobachter rechtzeitig durch Abspringen in Sicherheit bringen. Wir suchten in Straßendurchlassrohren und hinter Steinmauern am Hang Schutz. Vom Hang aus schossen wir mit Karabinern auf die Tiefflieger mit dem Erfolg, dass ein Flugzeug brennend abstürzte.

          Im Wagen befanden sich 4 Flaschen mit Wasserstoffgas, Handgranaten, Leuchtspur- und Gewehrmunition, die mit Zeitunterbrechung explodierten. Die Flaschen mit dem hochexplosiven Gas sind zum Glück ausgebrannt. Wegen der Unberechenbarkeit, wann was zur Explosion kommt, konnten wir die aufgesuchte Deckung in unmittelbarer Nähe des Wagens nicht verlassen.

          Ich kann mich noch erinnern, dass mich später an diesem Tage nach dem Verpflegungsempfang 2 Tiefflieger angriffen und mit ihren Bordwaffen beschossen. Mit der Wurst unter dem Arm rannte ich nun immer um einen großen Strohhaufen herum. Bevor die Flieger umgedreht hatten, lief ich schnell auf die andere Seite, bis sie wieder von der Seite angriffen. Glücklicherweise kamen die beiden Flieger nicht auf die Idee, getrennt von beiden Seiten gleichzeitig anzugreifen.

          Soweit wir sehen konnten, war mindestens die Hälfte der Fahrzeuge unserer Beobachtungsbatterie ausgebrannt. Weil wir dadurch nicht mehr einsatzfähig waren, kamen wir nach wenigen Tagen wieder in unser altes Quartier in Perignano zurück.


          Von dort schrieb ich meinen Eltern am 27.5.44:
          "Liebe Eltern! Heute komme ich endlich dazu, Euch schnell einen Brief zu schreiben. Bei uns ist inzwischen etwas passiert, aber nicht schlimm. Kriegt nun nicht gleich einen Schreck. Es ist nämlich auch der Grund, dass ich mit Blei (Bleistift) schreibe. Meine Schrift entschuldigt bitte, denn ich bin an der rechten Hand etwas verletzt (Haut abgeschürft). Lasst bitte aus den Negativen, die noch bei Euch sind, neue Bilder machen und auch ein Bild von Heinz, denn es ist alles verloren gegangen bis auf das, was ich an und in den Taschen hatte. Ich bin jetzt wieder auf meiner alten Stelle.
          Auch alles andere ist verbrannt. 2 Füllhalter, 1 Drehbleistift usw. Es ist ja sehr schade, aber Krieg ist Krieg. Es kann nun sein, dass ich längere Zeit keine Post los werden kann, weil wir hier weit von der Einheit entfernt alleine liegen
          Herzliche grüße Euer Sohn Hermann."


          Aus dem Brief erkenne ich eine gewisse Schicksalsergebenheit, wenn ich schreibe: Es ist alles verbrannt, es ist ja sehr schade, aber Krieg ist Krieg. Das ist ein "gesunder" Fatalismus. Ständige Todesangst wäre schlimmer gewesen. Ich bin oft gefragt worden, ob ich wohl während des Fronteinsatzes ständig Angst vor dem Tode gehabt hätte.Ich kann mich nicht daran erinnern, damals dauernd in Angst gelebt zu haben. An der Front den Verstand zu verlieren ist lebensgefährlich Sicherlich hatte man in gefährlichen Situationen ein mulmiges Gefühl. Aber ich war auch optimistisch, dass es mich wohl nicht treffen würde und das war gut so. Etwa 20 Jahre lang habe ich nach dem Kriege furchtbare Angstträume gehabt. Ich träumte immer wieder, ich wäre an der Front im Kriegseinsatz und wachte oft schweißgebadet auf. Glücklicherweise habe ich dieses Trauma allmählich überwunden.


          31.5.44:
          "Liebe Eltern! Hoffentlich habt Ihr Euch bei meinem letzten Brief nicht zu sehr geängstigt. Einmal musste ich es Euch ja doch wissen lassen. Entweder früher oder später. Aber es war auch gar nicht schlimm und es ist ja auch alles gut ausgegangen u. ich liege jetzt wieder dort, wo ich vor der Abfahrt gelegen habe. Habe gute Verpflegung und oft Milch. Bei einer Familie, die ich hier kennen gelernt habe, werde ich wie ein Sohn behandelt. Jeden Sonntag muss ich mittags zum Essen kommen, weil ich dann ja Zeit habe. So habe ich am ersten Pfingsttag erst wieder 4 Eier zu essen bekommen u. Kirschen usw. Wenn ich auf einem Alltag mal komme und ich bin kaum da, habe ich schon eine große Tasse süße heiße Milch und geröstetes Brot und was natürlich in Italien immer dazu gehört, ein Glas Wein! Auch schwarzer Tee wird mir immer wieder angeboten und es schmeckt wirklich fabelhaft.
          Herzliche Grüße Euer Sohn Hermann."


          Wie ich schon schrieb, habe ich in Perignano, wo ich mit Unterbrechungen (Livorno, Marsch nach Süden) fast 3 Monate, ca. vom 20.3. bis ca. 14.6.1944, gelegen habe, die Familie Ricchi kennen gelernt. Obwohl ich nicht immer nebenan in der Villa Luisa, sondern auch auf einem Bauernhof ca. 1 km entfernt und zuletzt im Herrenhaus oder Schloss mit schönem Park des Conte Sanminiatelli untergebracht war, war ich oft bei der Familie Ricchi zu Gast. Meine Besuche im Garten der Familie habe ich in sehr angenehmer Erinnerung.

          Als wir auf der Via Aurelia ausgebrannt waren und nach Perignano zurückgekommen waren, saßen mein Kamerad Franz Heieis und ich an der Straße auf der Bordsteinkante, wohl um auf Quartierzuteilung zu warten. Da kam Pompeio, der Vater der Familie Ricchi, vorbei. Er fragte mich: "Hermann, wie kommt es, dass Du wieder hier bist?" Ich erklärte ihm, dass wir durch Tieffliegerbeschuss ausgebrannt seien und ich außer meinem Karabiner, den ich zwischen den Knien hielt, nur noch das hätte, was ich am Leibe trug. Pompeio freute sich sehr, dass ich noch lebte und lud mich zu einem Wiedersehensessen in sein Haus ein. Mein ganzes Leben lang werde ich mich an die Gastfreundschaft dieser italienischen Familie mit großer Dankbarkeit erinnern. Die Mama Luisetta Ricchi hatte mir ein Festessen bereitet. Sie hatten sicherlich selber nicht allzu viel. Aber es waren extra Kaninchen geschlachtet worden. Mehrere Gänge, insbesondere auch Schokoladenpudding, hatte die Mama zubereitet. Die ganze Familie einschließlich der nächsten Verwandten nahmen an dem Festessen teil. An einer langen Tafel wurde ich als Ehrengast ganz oben an den Tisch gesetzt. Diese Ehre und Fürsorge, die die Familie Ricchi mir als völlig fremden Soldaten eines fremden Volkes erwiesen hat, werde ich nie vergessen.

          Nach dem Kriege hatte ich kurze Zeit Postverbindung mit der Familie Ricchi, die aber dann irgendwann einschlief. Es war auch recht mühselig, Briefe in italienischer Sprache zu schreiben, weil die Ricchis kein Deutsch verstanden. Erst 1975, nach 31 Jahren war ich nach dem Krieg zum ersten Mal in Italien. An einem dunklen, regnerischen Tag im April 1975 klopfte ich nach langem Suchen im Ort an die hintere, zum Garten führende Küchentür. Obwohl ich wohl mit dem Regenschirm über meinem Kopf schwer zu erkennen war und unangemeldet nach 31 Jahren wiederkam, erkannte mich Mama Luisetta sofort wieder und rief: "Erman" und es wäre wunderbar, mich nach so langer Zeit wieder zu sehen. Leider sei ihr Mann Pompeio verstorben und könnte das Wiedersehen nun nicht mehr erleben. Sie sah mich mit einem mütterlich seligen Gesichtsausdruck an und umarmte mich und sagte "recognoscuto te subito" (ich habe Dich sofort wieder erkannt).

          Ein paar Tage später waren wir bei meiner "Mama italiana" Luisetta Ricchi zu Gast. Ich hatte ihr gesagt, sie sei meine zweite Mutter - meine italienische Mutter (Mama italiana), weil sie mich als jungen 18-jährigen Soldaten wie ihren eigenen Sohn betreut habe. Ich glaube, sie hat sich sehr geehrt gefühlt. Bei Mama Luisetta gab es ein Festessen. Es war einfach wunderbar, wieder so in die Familie aufgenommen zu werden. Insbesondere hatte sie Schokoladenpudding gekocht. Ich musste unbedingt den Schokoladenpudding aufessen, obwohl ich schon gar nichts mehr essen konnte. Mama Luisetta wusste nach 31 Jahren noch genau, dass das meine Lieblingsnachspeise war.

          Unser Handicap bei allen Besuchen war immer die Sprachbarriere. Meine italienischen Freunde verstanden alle die deutsche Sprache nicht und mein Italienisch ist trotz Volkshochschulkursen nur mäßig. Es ist sehr anstrengend, sich mit Hilfe des Wörterbuches und der nur mäßigen Sprachkenntnisse stundenlang zu verständigen. Meine Mama Luisetta ist inzwischen 98 Jahre alt geworden. Sie freute sich auf unserem Besuch 2006 so sehr, dass sie schon eine Woche vorher italienische Lieder gesungen haben soll, wie Ihre Familienangehörigen sagten. Sie hat mich immer wieder umarmt und ich musste bei ihr sitzen und ihre Hand halten. Sie war trotz ihres hohen Alters und ihrer Probleme mit der Osteoporose geistig immer noch sehr rege.

          Meine Mama Italiana, die mich als jungen Soldaten so gut betreut hat, ist am Palmsonntag, den 28. März 2010, um 21 Uhr im 99. Lebensjahr verstorben. Ihre Enkeltochter Chiara hat uns mitgeteilt, dass sie ohne Schmerzen zu erleiden ganz friedlich entschlafen ist. Ich danke Mama Luisetta Ricchi von ganzem Herzen für ihre Fürsorge.


          Rückzug in die Po-Ebene

          Nun zurück zu den Kriegserlebnissen. Mitte Juni 1944 begann der Rückzug nach Norditalien.


          Am 17.6.44 schrieb ich:
          "Heute endlich kann ich glaube ich Post loswerden. Ich habe einen Brief vom 8.6. schon bis jetzt in der Tasche getragen und konnte ihn nicht loswerden. Ich glaube sicher, dass Ihr Euch schon um mich Sorgen gemacht habt. Ganze 16 Tage (also ab 2.6.44) habe ich nicht schreiben können. Aber jetzt ist endlich der Zeitpunkt da. Ich habe auch noch keine Post von Euch seit dem 20. Mai, also bald einem Monat. Hoffentlich geht es Euch noch so gut wie mir."


          Am 18.6.1944 schrieb ich dann:
          "Liebe Eltern! Heute bin ich nun endlich zu meinem alten Standort zurückgekommen (ich meinte wohl alte Einheit) und was meint Ihr wohl, es waren sage und schreibe 14 Briefe und 3 Zeitungen für mich da. Endlich nach 3 Wochen mal wieder Post. Von Euch waren 2 Briefe von Mutter vom 19.5. und vom 21.5. und 2 Briefe von Vater vom 23.5. und 28.5. dabei. Meinen herzlichen Dank für alle die schönen Mitteilungen. Hier ist es jetzt gewaltig heiß. Ich schätze auf 35 - 40° C Wärme, wenn nicht noch mehr."


          Dieses lange Aussetzen der Feldpost erklärt sich aus dem zum Teil fluchtartigen Rückzug aus der Toskana in die Poebene bei Budrio. Ich kann mich daran erinnern, dass ich beim Rückzug, der übrigens wegen der Tiefflieger nur nachts stattfinden konnte, ein Pferd an der Hand geführt habe. Wir hatten ja unseren Wetterwagen-Lkw durch Tieffliegerbeschuss verloren und transportierten wohl notgedrungen einen Teil der Waffen und sonstige Ausrüstung auf Pferdewagen. Jedenfalls habe ich bei diesem Rückzug erfahren, dass der Mensch auch im Gehen schlafen kann. Ich war so müde und kaputt, dass ich zeitweise, das Pferd am Zügel haltend, nachts streckenweise einschlief und dabei seltsamerweise nicht umfiel. Als wir das Rückzugsziel nach Tagen endlich erreicht hatten, sind meine Kameraden und ich in irgendeinem Schuppen auf Stroh eingeschlafen und wohl erst nach 24 Stunden wieder aufgewacht. Jedenfalls fehlte uns danach ein ganzer Tag.


          30.6.44:
          "Gibt es bei Euch auch so viele Fliegen wie hier, hoffentlich doch nicht, denn es ist schrecklich, man kann sich der verdammten Biester nicht erwehren. Zu Tausenden schwirren sie hier herum. Ihr glaubt gar nicht, was das für eine Plage ist. Nachts, wenn man gerade mal schlafen kann, weil es etwas kühler geworden ist, kommen die Mücken und stechen einem die Haut kaputt. Ich kann jetzt die Stiche nicht mehr zählen, so viele sind es schon.
          Andererseits gibt es hier furchtbar viel Obst. So esse ich jeden Tag Pfirsiche, Pflaumen, Aprikosen und Birnen. Ich habe hier jetzt schon so viele Pfirsiche gegessen, wie ich in meinen ganzen 17 Jahren dort nicht gegessen habe. Die Aprikosen schmecken mir zu wässerig.
          Der Weizen ist schon fast alle gemäht. Bald geht's nördlicher. Mit Urlaub ist es sehr unbestimmt, weil erst mal wieder Urlaubssperre ist. Ob ich wohl überhaupt noch mal drankomme?"


          15.7.44:
          "Ich wohne hier jetzt alleine mit noch einem Kameraden zusammen auf einem Bauernhof. Das Essen ist jetzt sehr gut und die Leute sind auch sehr nett. Wir kriegen Früchte und Wein von ihnen. Hier ist die Gegend genau so, wie bei uns zu Hause, wie ich wohl schon geschrieben (Po-Ebene) habe. Es gibt hier allerhand Fischteiche und wenn es dunkel werden will, will ich zum ersten Male zum Angeln."


          Unsere Division wurde in dieser Zeit langsam aus dem Kampfgeschehen in Italien herausgelöst und zwischen Bologna und Ferrara versammelt. Unsere Fahrt über das Apenningebirge habe ich noch in etwas unangenehmer Erinnerung. Wir fuhren nachts, am Tage war das wegen der alliierten Tiefflieger nicht möglich, mit einem Lkw durch das teilweise sehr steile Gebirge. Ich saß mit mehreren Kameraden auf der Ladefläche, auf der auch allerhand Kriegsgerät lag. Die Fahrt ging in dunkler Nacht bei sehr geringer Beleuchtung über steile Serpentinen hinauf auf den fast 1000 m hoch liegenden Futa-Paß. Aus Verdunklungsgründen wegen der Gefahr von Luftangriffen waren die Scheinwerfer bis auf je einen kleinen Querschlitz zugeklebt, durch den nur wenig Licht auf die Fahrbahn fiel. Als wir auf der Passhöhe angekommen waren, blockierten plötzlich die Bremsen. Der Fahrer war gezwungen, die Bremsflüssigkeit abzulassen, um die Bremsklötze zu lösen. Hierbei bekamen wir von der rechten Seite plötzlich Gewehrfeuer, wahrscheinlich von Partisanen. Schüsse von uns in die Nacht hinaus etwa in die Richtung der Mündungsfeuer genügten, um Ruhe zu schaffen. Die Partisanen hatten wohl mehr Angst als wir.

          Die Fahrt vom Futa-Paß hinunter in die Ebene bei Bologna wurde dann zu einem riskanten Abenteuer. Mich wundert heute noch, dass wir nicht irgendwo in eine Schlucht gestürzt sind. Der Lkw-Fahrer hatte ja nur noch die Motorbremse für die steile, kurven- und serpentinenreiche Abfahrt. Aber es ging alles gut. Kupplung und Getriebe hielten die steile Abfahrt aus.


          Bei Verona

          Am 29.7.44 schrieb ich dann noch 2 Briefe aus Italien. Wir lagen damals in einem Schloss oder Herrenhaus mit Dachterrasse im Außenbereich von Verona und erwarteten die Verladung auf die Eisenbahn in Richtung Deutschland. Während der Zeit des Wartens auf die Verladung hatten wir Gelegenheit, im Staatstheater von Verona eine im Rahmen der Truppenbetreuung durchgeführte Konzertveranstaltung zu besuchen. Aus dieser Zeit erinnere ich mich an folgende Begebenheit: Am 20. Juli 1944 war das misslungene Attentat auf Hitler gewesen. Seitdem wurde in der gesamten Wehrmacht allgemein, anstatt des internationalen militärischen Grußes durch Handanlegen an die Kopfbedeckung, der Hitlergruß eingeführt, der bis dahin nur in der Waffen-SS üblich war.

          Wir Soldaten des Fallschirmpanzerkorps Hermann Göring waren ebenso wie andere Wehrmachtssoldaten nicht gewillt, den Hitlergruß auszuführen. Unseren Offizieren zuliebe haben wir es schließlich getan, weil sie uns darum gebeten haben. Sie sagten: Bitte, tun Sie uns den Gefallen und grüßen Sie mit dem Deutschen Gruß, weil wir persönlich sonst erheblichen Ärger bekommen. Das war die Einführung des so genannten "Deutschen Grußes" in der Wehrmacht.


          Am 29.7.44 schrieb ich u.a.:
          "Während ich dies schreibe, beißen mich schon wieder die Fliegen und krabbeln mir im Gesicht und auf den Händen herum, während mir der Schweiß von der Stirne rinnt. Hoffentlich geht's bald weiter, denn in diesem Bau ist es nicht auszuhalten. Die Mücken haben mich mindestens schon 1000 x auf Hände und Arme gestochen, so dass es wie Masern aussieht. Es ist nicht mehr auszuhalten."

          Wenig später wurde meine Division dann von Italien nach Polen verlegt.




          Hermann Lohmann: Einsatz im großen Weichselbogen 1944

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            #6
            Einsatz in Polen im großen Weichselbogen 1944

            Einsatz in Polen im großen Weichselbogen 1944

            Im Sommer 1944 wurde meine Division nach Einsätzen in der Toskana nach Polen verlegt.

            Von dort schrieb ich an meine Eltern:
            "Auf Reise, d. 3.8.44. Liebe Eltern! Wie Ihr seht, bin ich auf der Reise durch Deutschland, wohin weiß ich nicht. Wir sind schon durch Weiden (Opf.) gekommen u. dann durch Eger. In Weiden habe ich ein Paket an Euch abgeschickt per Express. Mir geht es noch sehr gut, was ich auch von Euch hoffe. Meine Adresse ist dieselbe. Nur das LgPa (Luftgaupostamt) wird sich wohl mal ändern. Herzliche Grüße Euer Sohn Hermann. Ich habe leider keine Marke!"

            Am 7.8.44 schrieb ich dann an meine Eltern mit dem Absender: Soldat H. Lohmann L 55613 Lg Pa Posen:
            "Liebe Eltern! Wie Ihr wohl schon aus den Wehrmachtsberichten gehört habt, hat sich unsere Division schon im Osten bewährt. Danach sind wir also vom Süden nach dem Osten gekommen. Hier in Polen geht's mir aber trotzdem auch ganz gut. Nur man versteht die polnische Sprache nicht. Hier gibt es wenigstens mal Wälder wie in Deutschland und außerdem auch Kartoffeln u. kalt ist es jetzt auch noch nicht. ... Schickt mir bitte ein Buch deutsch-polnisch. Viele Grüße Euer Sohn Hermann."

            Wir sind am 31. Juli 1944 in Peri an der Etsch nördlich von Verona auf und in Eisenbahnwaggons verladen worden. Die Fahrt ging quer durch Deutschland Richtung Eger - Hirschberg/Schlesien nach Warschau. Dort tobte der polnische Aufstand gegen die Deutschen, der am 1. August 1944 begonnen hatte. Es war das Ziel der Nationalpolen, sich selbst von den Deutschen zu befreien, bevor der Russe Warschau einnahm. Die Russen aber blieben unmittelbar vor Warschau stehen und unterstützten die Polen nicht. Stalin war es nur recht, dass Deutsche und Nationalpolen sich gegenseitig umbrachten. Stalin wollte kein unabhängiges Polen, sondern ein kommunistisches. Hilfegesuche der polnischen Aufständischen lehnte Moskau ab. Die Westalliierten warfen Waffen, Munition und Nahrungsmittel über der Stadt ab. Nach 64 Tagen, am 2. Oktober 1944 kapitulierte die polnische Heimatarmee.

            Unsere aus Italien anrollenden Transportzüge waren von Partisanen "angemeldet" worden. Beim Ausladen am Stadtrand von Warschau wurden wir mit Granaten und Infanteriefeuer empfangen. Glücklicherweise sind wir im Warschauer Aufstand nicht eingesetzt worden, sondern fuhren am Stadtrand entlang südwärts. Die Rauchschwaden von den Bränden, die nach der Bombardierung durch deutsche Stukas entstanden, konnten wir aus der Ferne beobachten. In den ersten Tagen kämpfte unsere Division zunächst Südostwerts von Warschau bei Wolomin. Es gelang, das sowjetische III. Panzerkorps hier am 23. August 1944 vernichtend zu schlagen. Wir sind dann bis Anfang Oktober 1944 im großen Weichselbogen bei Radom geblieben.

            Ganz so harmlos wie sich die Briefe an meine Eltern anhören, war es damals an der Ostfront nicht. Allerdings wurde es später im September etwas ruhiger an der Front. Seitdem der Wetterwagen mit allen Geräten auf der Via Aurelia in Italien verbrannt war, wurde ich innerhalb der Beobachtungsbatterie beim Schallmesszug eingesetzt. Mittels eines Schallmessverfahrens, wie vorne bereits dargelegt, wurde Feindaufklärung, insbesondere der feindlichen Artillerie, betrieben. Hierbei wurden an mehreren Stellen hinter der Hauptkampflinie Mikrofone angebracht. Infolge der unterschiedlichen Entfernung zum feindlichen Geschütz erreichte der Schall zu unterschiedlichen Zeiten die ausgelegten Mikrofone. Dadurch war das Errechnen des Standortes der feindlichen Geschütze möglich.

            Im großen Weichselbogen bei Radom. Am 10.8.44 schrieb ich dann:
            "Heute sind wir endlich wieder in unserer Stellung angekommen, so dass wir wieder einen Tisch haben und man mal wieder gut schreiben kann. Mir geht es immer noch sehr gut und der Iwan macht auch nicht viel zu schaffen, nur die Straßen sind sehr schlecht, teils versandet, teils verschlammt. Da ist es in Deutschland bedeutend besser. Auch die Polacken-Läusekaten sind "toll". Noch habe ich ja keine von den netten Tieren und hoffentlich dauert es noch ein bißchen, bis wir sie kriegen."


            13.8.44:
            "Liebe Eltern! Heute bekam ich zum ersten Male in Polen Post von Euch u. zwar gleich 6 Briefe. Ich habe mich sehr gefreut über die Briefe, denn es ist immer wieder ein Stück Heimat, wenn man so die Post liest. Als Ihr Eure Briefe schriebt, wart Ihr natürlich noch der Meinung, dass ich in Italien wäre. Aber Ihr wisst wohl jetzt schon, dass unsere Division im Osten in Einsatz ist. Ihr braucht darum keine Angst zu haben, denn es ist hier besser als in Italien, weil erstens statt der feindlichen Flugzeuge den ganzen Tag über deutsche Flugzeuge rumschwirren und die Ari (Artillerie) vom Iwan kommt auch kaum zu Schuss, weil wir sie gleich aufklären und zur Sau machen. Also ist der Einsatz hier nur halb so anstrengend u. gefährlich wie in Italien."


            18.8.44:
            "Es ist ja toll, dass die Amerikaner auf der Feldkoppel (ca. 200 m vom Dorf) eine Bombe abgeworfen haben. Aber ich glaube ja nicht, dass es Absicht gewesen ist, denn sonst hätten sie wohl mehr geworfen. Ihr könnt Euch ja ein Deckungsloch bauen, wenn Ihr es für nötig haltet. Wir haben hier auch so etwas und ich muss sagen, dass man gegen Bombensplitter 99 % sicher ist, wenn nicht gerade eine ins Loch fällt. Und das passiert unter 1.000 Fällen einmal."

            Ich wundere mich heute über das, was ich damals alles nach Hause geschrieben habe. In den folgenden Briefen steht nichts Aufregendes. Im großen Weichselbogen nordostwärts Radom war es damals nach den Kämpfen um den Weichselbrückenkopf Warka-Magnuszew an der Front verhältnismäßig ruhig.


            17.9.1944:
            "Gestern habe ich große Jagd gemacht und 42 Flöhe und 7 Läuse erlegt. Aber jetzt haben wir unsere Wäsche mit Lausemittel imprägniert, was die Läuse 3 Monate fernhalten soll. Hoffentlich hilft es gut. Letzte Nacht hat es hier zum ersten Male gefroren. Aber wir liegen hier gut und schön warm. Im Winter werden wir den Backofen heizen und dann lass man frieren."

            Ich erinnere mich daran, dass ich möglichst lange draußen im Freien geschlafen habe, obwohl ein Polenhaus, welches von der Bevölkerung verlassen war, zur Verfügung stand. Dadurch wollte ich erreichen, möglichst lange von den dort vorhandenen Plagegeistern, wie Wanzen, Flöhen und Läusen verschont zu bleiben. Als es dann nachts zu kalt wurde, bin auch ich in das Polenhaus gezogen, wo wir auf dem Holzfußboden schliefen. Sofort hatte auch ich zahlreiche Wanzen, die sich nachts von Decke und Wänden auf uns fallen ließen. Diese stinkenden Blutsauger hatte ich auch morgens noch am Körper. Wir haben sie abgesammelt und zunächst in Streichholzschachteln gesteckt, damit sie nicht wieder entwischen konnten. An den Einstichstellen erzeugten diese Biester erheblich juckende Schwellungen. Von den Plagegeistern haben mich die Wanzen am meisten gequält, obwohl die zahlreichen Flöhe neben den Kleiderläusen auch sehr unangenehm waren. Wenn wir Soldaten in ein unbewohntes Polenhaus hineinkamen, hatten wir immer den Eindruck, dass uns die dortigen hungrigen, blutgierigen Menschenflöhe von allen Seiten ansprangen.

            In diesem Herbst 1944 muss ich doch wohl Heimweh gehabt haben, denn ich schrieb am 3.10.1944 u.a.:
            "Mutter, Du hast schon recht, wenn Du schreibst, dass ich mir wohl kaum mehr vorstellen könne, wie es zu Hause aussieht. Ja, ich muss zugeben, dass es schon fast wirklich so ist. Obwohl ich wohl noch genau weiß, wo alles steht, so kommt mir doch alles wie ein Märchen vor, wie ein Traum, den ich heute Nacht geträumt habe. Wer hätte im letzten Jahre im August auch gedacht, dass es 13 Monate dauern würde und wir hätten uns noch nicht wieder gesehen und wer weiß, wie lange es noch dauern wird, bis ich endlich mal das Glück habe, in die Heimat zu den Eltern zurückzukehren. In der Fremde weiß man erst richtig die Eltern und die Heimat zu schätzen. Wie etwas Heiliges kommt einem vor, was man früher kaum gesehen oder gar gekränkt hat. Jeder Baum, jeder Strauch und jeder Graben und Fluss und jeder Acker und jede Wiese kehren wieder in Gedanken zurück und mir ist, als ob ich darüber hinwandle, noch einmal auf dem Acker bin, im Wald oder in den Wiesen. Und wenn man dann zum Heimatdorf geht, so steht es vor einem und man geht hinein und begrüßt die Leute, die von der Tagesarbeit nach Hause kommen und gelangt durch die Straßen nach Hause. Jedes Zimmer und jede Tür tut sich auf zu einem neuen Zimmer, bis man durch das ganze Haus gegangen ist und dann in den Garten und man sieht jedes Stück Erde noch so, wie man es verlassen hat. Man geht noch mal zum Bahnhof und sagt seiner Heimat noch einmal Lebewohl. Nur einer, der fern von der Heimat unter fremden Völkern gelebt hat, hat seine Heimat lieben gelernt.
            Liebe Eltern, mögt Ihr denken, ich philosophiere, aber Ihr werdet es doch verstehen. Oft habe ich Euch geärgert; aber damals war ich noch zu dumm, um zu begreifen was es heißt, noch Eltern und eine Heimat zu haben. Jetzt wo ich fern der Heimat bin, habe ich es schätzen gelernt."


            Wenn ich heute, nach mehr als 60 Jahren, als 84-jähriger diesen Brief lese, bin ich doch erstaunt, wie intensiv ich damals als 19-jähriger Soldat meine Liebe zur Heimat auszudrücken vermochte. Meinen Eltern habe ich damals sicherlich keinen guten Dienst erwiesen, denn sie mussten erkennen, wie sehr ich unter Heimweh litt.

            Wie ich aus meinen Briefen ersehe, war es damals in Polen an der Front relativ ruhig. An meinem 19. Geburtstag am 6.10.1944 freute ich mich über die erhaltene Post. Ich bedankte mich besonders für die erhaltenen Fußlappen für meine Stiefel und Puddingpulver zum Puddingkochen, sowie ein Sternbüchlein zum beobachten der Sterne bei Nachtwachen.

            Meinem Vater schrieb ich dann am 7.10.1944 zu seinem 57. Geburtstag am 17.10. u.a.:
            "Hoffentlich wird es sich bald fügen, dass wir uns alle wieder sehen und auch unser lieber Heinz aus der Gefangenschaft zurückkommt. Hoffentlich wird es gelingen, dass dieser Krieg bald ein Ende nimmt."

            Das war mein letzter Brief aus Polen. Wir lagen in dieser Zeit in der Nähe des Flusses Radomka nördlich Radom. Nun ging es nach Ostpreußen, wo wir uns sowjetischen Angriffen erwehren mussten.




            Hermann Lohmann: Als Soldat in Ostpreußen 1944/45

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              Als Soldat in Ostpreußen 1944/45

              Als Soldat in Ostpreußen 1944/45

              Nach 2½ Monaten Einsatz in Polen wurden wir von der "Panzer-Division Hermann Göring" im Oktober 1944 auf Eisenbahnwaggons verladen und in Nordostpreußen eingesetzt. Dort war die Front infolge weit überlegener russischer Kräfte zusammengebrochen. Nur 5 deutsche Divisionen standen 19 russischen Schützendivisionen, 3 Panzerkorps und einem Artilleriekorps gegenüber. Die Lage war so ernst, dass das Oberkommando des Heeres am 6. Oktober 1944 die Zuführung unserer Division von Radom nach Insterburg genehmigte. Unser erster Einsatzort war Kuckernese (Kaukehmen) im Memelgebiet nordwestlich von Tilsit an der Memel gelegen. Dort sollte durch den Einsatz des in Aufstellung begriffenen Fallschirmpanzerkorps H.G. die Front in Nordostpreußen stabilisiert werden.

              Ich schrieb am 15.10.1944 unter anderem:
              "Liebe Eltern! Mir geht es heute noch sehr gut, was ich auch von Euch hoffe. Inzwischen haben wir eine kleine Reise gemacht und sind nun in eine schöne Gegend gekommen, wo es tüchtig Milch gibt. So habe ich denn heute schon tüchtig gemolken, so dass wir jeder 2 l Milch hatten. Hier gefällt es mir sehr gut, denn es gibt hier wenigstens noch anständige Häuser, nicht so wie in Galizien-Polen. Man sieht mal wieder gute Gärten und schöne gerade Felder, Wälder und viele Seen."

              Ich kann mich heute noch erinnern, dass es ein überschwänglich, heimatliches Gefühl war, was uns wohl alle nach dem Ausladen, ich glaube in Tilsit, überfiel. Endlich verstanden wir wieder die Sprache der Menschen, denen wir begegneten. Irgendwo, ich glaube in Kuckerneese, saßen Leute vor der Tür und sprachen Plattdeutsch miteinander. Das war für mich besonders heimatlich. Ich ging näher heran, um mich zu unterhalten. Aber leider konnte ich das Plattdeutsche der dortigen ostpreußischen Bewohner nicht verstehen und war ganz enttäuscht. Nur der Tonfall war der gleiche wie bei uns zu Hause. In dem großen Grünlandgebiet an der Memel, unserem Einsatzgebiet, lief sehr viel schwarzbuntes Rindvieh herrenlos herum, weil die Menschen geflüchtet waren. Die nicht gemolkenen Kühe brüllten vor Schmerzen wegen ihrer prall gefüllten Euter. Deshalb haben wir so viele Kühe gemolken wie wir nur konnten und hatten als Lohn dafür sehr viel Milch.

              Im Raum Kuckerneese/Kaukehmen waren wir nur etwa 7 Tage. Dann sind wir in Tilsit wieder auf Eisenbahnwaggons verladen worden und östlich Gumbinnen bei Trakehnen eingesetzt. Der Einsatz bei Trakehnen war äußerst gefährlich. Unser Eisenbahnzug wurde in der Nähe der Front rückwärts in ein Wäldchen hinein geschoben. In dieses Wäldchen schoss der Russe bereits mit der Artillerie hinein, so dass uns die Splitter der Baumkrepierer um die Ohren pfiffen. Wir mussten schleunigst sehen, dass wir aus diesem Waldstück heraus auf das freie Feld kamen. Wir hatten dort bereits die ersten Verwundeten. Wo wir östlich von Gumbinnen ausgeladen worden sind, weiß ich nicht mehr. Die Verladung in Tilsit ist wahrscheinlich am 19.10.1944 gewesen, denn die Hauptkämpfe im Raum Trakehnen-Nemmersdorf waren vom 19.-22.10.1944.

              So schrieb ich denn am 24.10.1944:
              "Liebe Eltern! Heute Abend will ich Euch schnell einen kleinen Brief schreiben, denn ich hatte wenig Zeit. Mir geht es noch immer sehr gut, was ich auch von Euch hoffe. Post habe ich schon 14 Tage nicht mehr bekommen, denn sie reist uns noch immer nach. Hoffentlich bleiben wir hier noch etwas länger, denn wenn es so weiter geht, habe ich in einigen Wochen die ganze Welt gesehen. Sobald ich Zeit habe, schreibe ich mehr. Herzliche Grüße sendet Euch Euer Sohn Hermann."

              25.10.1944:
              "Endlich nach langer Zeit erhielten wir mal wieder Post aus der Heimat und zwar war es nur neue Post, d. h. die Briefe waren vom 15. u. 17.10. Ihr meint, dass es mir schlecht geht. Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen, denn obwohl ich wohl gerne ein Paar Strümpfe hätte, verzichte ich gerne auf ein Kissen und die Uhr. Die Uhr laßt lieber bei Euch liegen, weil sie vielleicht doch nicht ankommt und ein Kissen habe ich schon wieder. Augenblicklich geht es mir ganz gut, denn erstens bin ich gesund und zweitens schlafen wir in Federbetten. Wir haben richtige, schöne Sessel wie zu Hause und die Stube wird von dem schönen Kachelofen schön erwärmt. Aber leider geht das elektrische Licht nicht mehr und es rummst ab und zu mal ein wenig. Sonst wäre es wohl wie im Urlaub. Also könnt Ihr sehen, dass es mir sehr gut geht."

              Der folgende Brief vom 1.11. ist am 3.11.1944 in Königsberg abgestempelt. Ich war also wohl am 2.11.1944 in Königsberg. Dort habe ich mich auch fotografieren lassen. Das Bild ist noch vorhanden. Mein Gesichtsausdruck ist durch den Kriegseinsatz ernster geworden. Durch Tränen meiner Mutter ist das Foto teilweise abgeblasst.

              Ich schrieb:
              "Der Iwan, der hier vor einer Woche noch sehr rebellisch war, hat sich jetzt auch beruhigt, so dass er kaum noch schießt. Es wird wirklich allmählich Zeit, dass ich mal auf Urlaub komme, denn nun fällt schon wieder das Laub und ich bin noch nicht zu Hause gewesen. Wer hätte das auch gedacht, dass ich noch nicht in Urlaub sein würde. Aber es hilft eben nichts, denn der Feind bedroht unser deutsches Land und da muss jeder mit anpacken, um ihn wieder hinauszuschmeißen. Hoffentlich wird es gelingen!"

              Ja, die Moral und Verteidigungsbereitschaft der Soldaten war zu der Zeit noch sehr gut. Insbesondere wohl auch verstärkt durch den Anblick der Not der Bevölkerung, wobei die durch die sowjetischen Soldaten angerichteten Gräueltaten eine erhöhte Verteidigungsbereitschaft bewirkten. Mein Nachsatz: "Hoffentlich wird es gelingen!" lässt aber bereits ahnen, dass ich gewisse Zweifel hatte. Die Übermacht des Gegners vor allem an Menschen aber auch an Material war einfach zu groß.

              Die Zeit vom 1. November 1944 bis zum 13. Januar 1945, dem Tag des erwarteten Großangriffs der Roten Armee, verlief recht ruhig. Die Sowjets hatten ihre Stoßarmeen zurückgezogen, um sie nach den auch für sie verlustreichen Kämpfen aufzufüllen, neu zu ordnen und zur nächsten Angriffswelle bereitzustellen. Auch aus meinen Briefen ist das zu erkennen. Ich habe in dieser Zeit nur über die Sorgen und Freuden des normalen Soldatenlebens berichtet.


              Am 11.11.1944 schrieb ich:
              "Liebe Eltern! Diesen Brief gebe ich einem Kameraden mit, der nach Insterburg fährt, um ihn dort in den Briefkasten zu stecken. Nun will ich Euch kurz schreiben, wo ich stecke. Zuerst kamen wir aus der Nähe von Radom in die Gegend von Tilsit. Ich bin auch durch Tilsit gefahren, um dann in der Nähe der Memel bei Kuckerneese in Einsatz zu kommen. Nach etwa 7 Tagen hatten wir die Division "Großdeutschland" (eine Heereseliteeinheit) rausgeschlagen und kamen in die Nähe von Trakehnen zum Einsatz, um den Russen zurückzuschlagen, der von Süden auf Gumbinnen stieß. Nachdem dies gelungen war, kamen wir nach Schublau, 10 km von Nemmersdorf. Von diesem Ort und den Gräueltaten habt Ihr wohl auch schon gehört. Hier wo wir sind, war der Russe auch schon und wir haben die Gräueltaten mit eigenen Augen gesehen. Ich befinde mich jetzt hinten beim Tross, wo man nichts vom Krieg hört. Wir warten nämlich auf Gerät für unseren Wettertrupp, der seit dem Brand (in Italien) nicht mehr bestand. In etwa 14 Tagen wird es wohl wieder soweit sein. Morgen früh fahren 4 Mann nach Berlin, um es (das Gerät) zu holen. Ich wäre gerne mitgefahren, aber es geht leider nicht, denn die älteren haben den Vortritt. Mir geht es hier noch sehr gut, was ich auch von Euch hoffe. Alles Gute und herzliche Grüße Euer Sohn Hermann."

              Am 1. Advent, d. 4.12.1944 habe ich dem Ostpreußen Fritz Speckmann einen Brief mitgegeben. Ich schrieb:
              "Diesen Brief nimmt ein Kamerad mit nach Hause! Er wohnt 40 km von hier. Wir liegen hier mal wieder sehr schön, so dass wir gesagt haben, wenn unsere Eltern wüssten, wie gut wir es haben, würden sie sich bestimmt nicht soviel Sorgen machen! Wir haben hier jeder ein Bett mit Sprungfedern, also alles in allem herrlich. Augenblicklich ist Zimmertemperatur 23° C bei uns. Also schon ganz schön heiß."

              Sonntag, 2. Advent, 10.12.1944:
              "Liebe Eltern! In nächster Zeit sollen wir für Dezember und Januar je 2 Paketmarken mit dem Aufdruck 2 kg erhalten, damit die Angehörigen in der Heimat zusätzliche Winterbekleidung schicken können. Man kann aber auch etwas anderes reinpacken. Wenn Ihr allerdings etwas schickt, so lasst Euch bitte eine Bescheinigung geben, dass die Sachen mir gehören, weil wir hier sonst von der Feldpolizei verdächtigt werden, dass wir die Sachen hier aus den Häusern gestohlen haben (Plünderung!)."

              Dieser Satz ist interessant. Es wurde also damals darauf geachtet, dass aus den Häusern der geflüchteten Zivilbevölkerung nichts entwendet wurde. Zu dem damaligen Zeitpunkt war das wohl richtig. Allerdings ist die Bevölkerung nie wieder in ihre Häuser gekommen und so ist alles den Russen in die Hände gefallen.


              Weihnachten 1944

              Am 14.12.1944 schrieb ich den Weihnachtsbrief an meine Eltern. Ich schrieb zur Beruhigung meiner Eltern einen sehr positiven Brief. Es war ja zu der Zeit auch relativ ruhig an der Front in Ostpreußen.
              "... Mir kann es gar nicht besser gehen, als jetzt hier. Ich bin gesund und habe alles, was ich brauche. Ein schönes Zimmer mit einem herrlichen Bett ist meine Wohnung. Zu essen haben wir genügend und zum Christabend kriegen wir auch noch etwas Besonderes an Verpflegung. 5 Päckchen von Euch habe ich schon bekommen, so dass es an Überraschungen nicht fehlen wird. Ich werde in diesem Jahr bestimmt ebenso gut Weihnachten feiern wie im letzten Jahr in Italien, wovon Ihr ja noch ein Bild habt. Mögt auch Ihr in voller Gesundheit das Weihnachtsfest feiern und Du, liebe Mutter, in aller Ruhe Deinen Geburtstag (23.12.) feiern.
              Herzliche Weihnachtsgrüße Euer Sohn Hermann."


              Am 2. Weihnachtstag, d. 26.12.1944, schrieb ich meinen Eltern einen begeisterten Bericht über das Weihnachtsfest an der Front in Ostpreußen. Ich finde es heute erstaunlich, was im letzten Kriegswinter, zur 6. Kriegsweihnacht, noch an Verpflegung und Sonderverpflegung für die Soldaten vorhanden war. Ich schrieb u.a.:
              "Am Nachmittag des Christtages kam der Weihnachtsmann der Batterie und brachte uns pro Mann eine Wurst, 1 Weihnachtsstollen, Wein, Most, Schnaps, Kleingebäck und pro Mann 10 Berliner Pfannkuchen. Außerdem noch ein paar Bonbons u. Zigaretten. Um 6 Uhr nachmittags kam der Chef, um eine kleine Weihnachtsrede zu halten. Dann ging das Feiern los. Wir hatten uns einen schönen kleinen Weihnachtsbaum geholt und ihn mit Watte und etwas Lametta ausgeschmückt. Hatten aber nur 2 Lichter für den Baum. Auf den Tisch haben wir eine weiße Decke gelegt, um es schön feierlich zu machen. So zündeten wir um 6 Uhr die Lichter an und sangen das Lied "Stille Nacht". Darauf konnten wir es nicht mehr aushalten und mussten erst mal sehen, was wir von zu Hause geschickt bekommen haben. Es ist ja einfach herrlich, was ich alles von Euch geschickt bekommen habe. Ich hatte einen großen Haufen Pakete zu öffnen, denn die 3 Pakete, die Adolf Mahnke (aus Rullstorf) mitgenommen hatte, kamen 1 Tag vor Heiligabend auch noch alle an."


              Es folgt dann ein längerer Bericht über den Inhalt der Pakete. Es waren wohl ca. 10 Päckchen und Pakete, die ich zu öffnen hatte. Besonders gefreut habe ich mich wohl über den Christbaumschmuck, denn ich schrieb:
              "Es war sehr schön, dass Ihr mir Weihnachtsschmuck geschickt habt, denn unser Christbaum sah wirklich sehr kahl aus. Ich nahm sofort den Schmuck und schmückte den Christbaum mit den Silbersachen und den 4 Lichtern, so dass wir jetzt 6 Lichter am Baum haben."

              Besonders erwähnt habe ich auch noch:
              "1 Paar gefütterte Handschuhe, 1 Paar Strümpfe, die ich nötig brauche, da meine erstmal furchtbar kaputtgelaufen sind und außerdem sind die italienischen Strümpfe so dünn, dass sie kaum wärmen. Ein schöner Nähbeutel mit Sachen, die ich ebenfalls nötig brauche."

              Die übrigen Weihnachtsgeschenke bestanden aus: Braunkuchen, kleinen Kuchen, Schinken, ein schöner weißer Kamm, ein Film, Mettwurst, Biskuit-Kuchen, Waschlappen, 15 schöne Dickstieläpfel etc.:
              "Kaum hatte ich die Äpfel entdeckt, als ich mir gleich einen genommen und hineingebissen habe. Oh, war das eine Delikatesse nach so langer Zeit. Auch meinen Kameraden habe ich je einen Apfel gegeben und Ihr glaubt gar nicht, wie sehr sie sich gefreut haben. Ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich mich zu all den schönen Dingen gefreut habe. Habt für alles meinen herzlichen Dank, es waren bestimmt sehr schöne Überraschungen, die Ihr mir zum Weihnachtsfeste geschickt habt. Nachdem wir unsere Sachen ausgepackt hatten und unsere Sachen gegenseitig probiert hatten, sangen wir noch einige schöne Weihnachtslieder und dabei glitt unser Blick immer wieder zum Christbaum und wir dachten an die Lieben daheim und an unsere Kindheit. Wir sangen alle schönen Weihnachtslieder wie Stille Nacht, Oh du fröhliche, Süßer die Glocken, Vom Himmel hoch, Es ist ein Ros entsprungen usw. ...
              Wegen Winterkleidung brauchen wir uns keine Sorgen mehr zu machen, denn am 23.12., also gerade an Deinem Geburtstag, liebe Mutter, empfingen wir einen vollständigen Watteanzug zum überziehen über die Uniform. Außerdem Filzstiefel und Überhandschuhe und eine Haube, die das ganze Gesicht auch Nase, Mund und Augen bedeckt. Die Uniform ist außen mit Zeltbahn versehen, so dass dieser Anzug auch wasserdicht ist. Zum Schluss danke ich Euch noch mal recht herzlich für alles Schöne zum Weihnachtsfest und grüße Euch recht herzlich Euer Sohn Hermann."


              Es ist einfach erstaunlich, was kurz vor Kriegsende noch an Ausrüstung für jeden einzelnen Soldaten vorhanden war. Welch ein Glück hatten wir damals, dass man uns so gut mit Winterbekleidung ausrüstete. So konnten wir das kommende Chaos, den Winterkrieg 1945 in Ostpreußen, besser überstehen. Wenn es nicht in meinen Briefen stehen würde, hätte ich es heute, nach 64 Jahren, nicht mehr für möglich gehalten, dass man uns damals im letzten Kriegswinter 1944/45 noch so gut verpflegt und mit Winterbekleidung versorgt hat.

              29.12.44:
              "In Königsberg war es damals sehr schön, denn man konnte mal wieder ins Kino gehen u. außerdem ist dort eine Wannenbadeanstalt, wo ich mal anständig baden konnte. Hier ist noch alles sehr ruhig. Heute hat es wieder geschneit, so dass es mit der Kälte auch noch nicht schlimm ist."

              1.1.45:
              "Möge es Gott geben, dass in diesem Jahre der Krieg ein Ende nimmt und wir uns alle in Frieden wieder miteinander vereinen können, dass unser lieber Heinz wieder in die Freiheit gelangt. Nun seid recht herzlich gegrüßt und ich wünsche Euch nochmals alles Gute im neuen Jahr Euer Sohn Hermann."

              Am 3.1.1945 habe ich meinem Kameraden Fritz Speckmann einen Brief in sein Heimatdorf Schulzenhof bei Insterburg mitgegeben, der von dort aus mit der Zivilpost befördert wurde. Interessant ist folgendes:
              "So leicht werde ich hier kein Unteroffizier, denn die Stellen sind besetzt. Aber ich habe auch gar kein Interesse daran und verzichte auf die Tressen, wenn ich mit heilem Kreuz nach Hause kommen kann. Beim Wettertrupp sind wir noch alle zusammen, bis auf einen, der sich freiwillig zum fliegenden Personal gemeldet hat. Unser Wagen ist da. Er ist wirklich sehr schön (der neue Wetterwagen). Wir sind umgezogen u. liegen in einer Waldecke." (Forsteck)

              11.1.45, 23.30 Uhr:
              "Liebe Eltern! Wir liegen hier dicht am Wald (Forsteck). Wir haben uns etwas von der Einheit abgesetzt, so dass wir wieder selbst kochen müssen, was ja viel besser ist, denn so kann man soviel kochen, dass man satt wird."

              Ja, unser Unteroffizier und Truppführer Heinz Kasprzack kochte leidenschaftlich gerne und gut. Deshalb hat er sich auch von der Einheit abgesetzt, solange und so oft es möglich war. Ich kann mich erinnern, dass ich damals dort ostwärts von unserem Quartier mein erstes Stück Rehwild erlegte. Ich bin damals wohl im Forst Karlswalde gewesen, wo es mir nach recht mühevoller Pirsch tatsächlich gelang, mit dem Militärkarabiner eine Ricke zu erlegen. So war unsere Verpflegung durch Wildbraten erheblich aufgebessert. Leider hatten wir wenig Zeit, das zu genießen, denn am 13.1.45 begann die Großoffensive der Russen, die 3 Monate später in der totalen Vernichtung der deutschen Streitkräfte in Ostpreußen im April 1945 endete.




              Hermann Lohmann: Kämpfe bei Balga am Frischen Haff 1945

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                Kämpfe bei Balga am Frischen Haff 1945

                Kämpfe bei Balga am Frischen Haff 1945

                Unsere "Panzer-Division Hermann Göring" hatte noch zu Jahresbeginn 1945 Einsätze in Ostpreußen, wo bald eine sowjetische Großoffensive begann. Am 14.1.1945 schrieb ich denn schon: "Liebe Eltern! Ihr meint, dass ich vielleicht in Kürze Urlaub bekomme. Nein, daran glaube ich nicht mehr, denn gestern hat der Iwan wieder 4 Std. getrommelt (Artillerietrommelfeuer) und wer weiß, ob es ihm doch noch gelingt durchzubrechen. Dann ist wieder Urlaubssperre." Und fünf Tage später: "Urlaub werde ich wohl sobald nicht bekommen, denn der Iwan greift von allen Seiten an und wer weiß ob er uns nicht noch eines Tages abschneidet, denn wir liegen gerade in einem Sack."

                Zu diesem Zeitpunkt waren die russischen Armeen bereits im Norden bei Schloßberg und im Süden bei Goldap durchgebrochen und hatten die mit Waffen sehr gut ausgerüstete 2. Division des Fallschirmpanzerkorps H.G. einfach liegen lassen, um sie einzuschließen und so kampflos zum Rückzug zu zwingen. Das war eine kluge Taktik der Russen.

                Mein Brief an meine Eltern vom 1.2.1945 lässt dann, wenn auch mehr zwischen den Zeilen, auf katastrophale Zustände in Ostpreußen schließen. Ich erinnere mich an das Flüchtlingselend auf den schneeverwehten, eisglatten Straßen bei bis zu 30° Kälte. Ich schrieb:
                "Liebe Eltern! Heute ist endlich mal wieder Gelegenheit, dass ich Euch eine Nachricht von mir senden kann. Es muss ziemlich schnell gehen, denn um 9 Uhr geht die Post mit dem Sanitätsflugzeug weg und das ist die einzige Gelegenheit. Hier ist jetzt allerhand los, wie Ihr Euch wohl vorstellen könnt, wenn Ihr den Wehrmachtsbericht gehört habt. Ihr wisst wohl sicher, dass wir hier eingeschlossen sind, jedenfalls so fast bis auf einen kleinen Küstenstreifen. Mit dem Essen ist es noch immer recht gut. Nur das Brot wird etwas knapper, aber sitzt nicht zu Hause und macht Euch Sorgen, denn mir geht es immer noch sehr gut. Mit dem Wetter geht es auch sehr gut. Vor ein paar Tagen hatten wir fast 30° Kälte, dann gewaltiges Schneetreiben, so dass man schon gar nichts mehr sehen konnte und heute, am 1. Februar fängt es an zu tauen. Hoffentlich gibt es Matschwetter, dann kann der Iwan nicht so schnell voran. Nun wünsche ich Euch alles, alles erdenklich Gute und bleibt alle gesund und munter. Herzliche Grüße Euer Sohn Hermann.
                Gott sei mit uns in aller Not und Gefahr!"

                Dieser Brief war damals wohl eine Art Abschiedsbrief, denn wir befanden uns an der Front in Ostpreußen in einer sehr gefährlichen Lage. Wir waren in Schneesturm und Kälte auf vereisten Straßen auf dem Rückzug. Unser Lkw wurden wegen Benzinmangels zu mehreren hintereinander gehängt und so von Dieselfahrzeugen weitergeschleppt. So bewegten wir uns mühsam in Richtung Zinten. Wir wussten damals nicht, welches Schicksal uns erwarten würde.

                Unterwegs irgendwo in Ostpreußen auf einer verschneiten, eisglatten Straße entdeckte Fritz Speckmann aus Schulzenhof bei Insterburg in einem Flüchtlingstreck plötzlich seinen Vater. Er zog in dem Elendszug bei Schneetreiben und Eiseskälte einen Kinderschlitten hinter sich her, auf dem er seine letzte Habe verstaut hatte. Es war wirklich ein Wunder, dass der Sohn seinen Vater in diesem winterlichen Chaos zigtausender von Flüchtlingen, die sich in riesigen Trecks in Richtung Küste des Frischen Haffs und Ostsee bewegten, zufällig gefunden hat. Die Familie war bereits früher geflüchtet. Der Vater musste noch beim Volkssturm bleiben und war dadurch ganz alleine auf der Flucht. Dem Sohn Fritz gelang es nun, seinen Vater erst einmal bei uns aufzunehmen. Als an der Front etwas Ruhe eintrat, konnte Fritz seinen Vater, nachdem Tauwetter eingesetzt hatte, an der Küste auf ein Schiff bringen. Die gesamte Familie konnte sich retten.

                Am 21.2.45 schrieb ich an meine Eltern eine so genannte "Ostpreußen-Feldpost"-Karte:
                "Liebe Eltern! Gestern bekamen wir diese Karten, um Euch in der Heimat möglichst schnell ein Lebenszeichen zu senden. Ihr braucht Euch um mich keine Sorgen zu machen, denn es geht mir sehr gut! Herzliche Grüße Euer Sohn Hermann."
                Diese Karte mit einem markigen Spruch von Hitler und der Parole "Tapfer und Treu!" wird wohl besonders meine Mutter sehr traurig gemacht haben. Meine Mutter wird bitterlich geweint haben, als sie die Karte erhielt. Die Tränenspuren sind heute noch zu erkennen.

                In Folge der Großoffensive der Russen am 13. März 1945 und der gewaltigen Übermacht des Gegners an Menschen (fast 1:10) und Material wurden wir immer weiter in Richtung Frisches Haff und Ostsee zurückgedrängt. Ich kann mich daran erinnern, dass wir im Bereich Ludwigsort lagen und uns dort aus Baumstämmen einen Bunker gebaut haben. In diesem Bunker bekamen wir alle vorbeugend eine Tetanusspritze gegen Wundstarrkrampf.

                Ich sah irgendwann vom Haffufer aus die Elendszüge der Flüchtlingstrecks über das trügerische Eis des Frischen Haffs ziehen. Jeden Tag und auch nachts kamen russische Flugzeuge und warfen Bomben auf die Zivilbevölkerung und beschossen sie mit Bordwaffen. Auf dem Eis waren die Menschen den Angriffen schutzlos ausgeliefert. Das Eis war übersät mit toten Menschen, toten Pferden, zerbombten Fluchtwagen und verstreutem Hausrat. Es war ein furchtbarer Anblick.

                Irgendwann im März 1945 taute das Eis auf dem Haff plötzlich auf und eines Morgens war das ganze schreckliche Elend verschwunden. Die Fluten des Haffs deckten es "gnädig" zu. Das Wasser des Haffs vermittelte fast einen friedlichen Anblick. Wenn wir nicht mit Grauen hätten daran denken müssen, was darunter verborgen war. Aus dem Raum Ludwigsort kamen wir irgendwann innerhalb des Kessels nach Heiligenbeil. Dort auf dem Flughafen haben wir uns eingegraben. Von Heiligenbeil aus haben wir uns damals über Gr. Hoppenbruch schließlich nach Balga zurückgezogen. Das war unsere letzte Frontstellung in Ostpreußen. Links und rechts eines Hohlweges zum Frischen Haff südlich Balga lag unsere Einheit. Schnell gruben wir uns ein, um uns vor dem dauernden Beschuss durch Artillerie und Stalinorgeln (Raketengeschosse) sowie den Bomben der russischen Schlachtflieger zu schützen.

                Die sowjetische Artillerie war in der Lage, Punktfeuer auf jedes einzelne Ziel zu richten. Die Straße von Gr. Hoppenbmch und Keimkallen war bei Tage überhaupt nicht mehr passierbar und war ständig mit Wehrmachtsfahrzeugen verstopft. Der Frontverlauf war etwa folgender: Am 24. und 25. März 1945 drangen die sowjetischen Truppen von Heiligenbeil bis nach Rosenberg vor, und besetzten die Haffküste bis nach Follendorf. Der Küstenstreifen von Balga bis Kahlholz blieb zunächst noch in deutscher Hand. Die Zerstörung von Balga begann am 24. März 1945 nachmittags. Durch den Beschuss mit Brandgranaten und Phosphorbomben gerieten alle Gebäude in Brand, den der starke Weststurm zu einer Riesenfeuersbrunst anfachte. Was noch stehen blieb, wurde am 25.März 1945 durch Flieger- und Artilleriebeschuss vernichtet. Am 26. März schwieg die feindliche Artillerie, dafür griffen den ganze Tag Bomberverbände unsere Stellungen an und verwandelten den letzten kleinen, von uns besetzten Geländestreifen in eine Mondlandschaft. Als der Abend nahte, gab es keine organisierte Abwehr mehr. Es gab keine Einheit, nur noch Überlebende, die versuchten ein Deckungsloch zu finden oder zu graben.

                Mit der Dunkelheit kamen die Nachtflugzeuge, die Rollbahnkrähen, wie sie genannt wurden und belegten mit gut gezielten Bomben die Haffküste. Als ich mein Deckungsloch westlich von Gr. Hoppenbruch verließ, um in Richtung Balga nach etwaigen Überlebenden der 14. Pionier-Kompanie HG zu suchen, rauscht eine Lawine von Granaten heran (Stalinorgel) und ließ die Erde wie bei einem Erdbeben erzittern. Ein schwarzgelber Qualm, in dem für Sekunden taumelnde Menschen sichtbar wurden. Vier der taumelnden Menschen kamen auf mich zu, ich schnellte hoch und zerrte sie zu mir in die Deckung. Es waren Flüchtlinge aus Zinten, die mich mit leeren Augen anstarrten, unverständliche Worte murmelten und ehe ich es verhindern konnte, aufsprangen und in Richtung Balga davonliefen. Sie hatten die nervliche Belastung nicht ausgehalten. Die ganze Gegend am Haff, die von den russischen Batterien wie auf einem Übungsgelände unter genaues Feuer genommen werden konnte, wurde zum Massengrab. Die vielen Toten sie wirkten wie Steine und niemand dachte an eine Bestattung.

                Ich habe mein Deckungsloch damals rechts des Hohlweges unmittelbar an der oberen Kante des Steilufers gegraben. Ich hatte mir damals trotz aller Hektik überlegt, dass ich dort am sichersten wäre. Alle Artilleriegeschosse und Bomben, die unmittelbar links von mir oder direkt vor mir einschlagen würden, könnten mir nicht gefährlich werden, denn sie würden vor der Explosion die Steilhänge hinabstürzen. Nur unmittelbar hinter mir auf etwa 70° des Umkreises, also knapp ¼ des umgebenden Geländes konnten mir Artilleriegranaten, Stalinorgelgeschosse und Fliegerbomben gefährlich werden. Die von See her anfliegenden russischen Schlachtflieger konnte ich rechtzeitig sehen und vor den Bordwaffen schnell in Deckung gehen. Dieser strategisch gut gelegene Punkt im Gelände hat mir sicherlich geholfen, mein Leben zu retten.

                Am 7.7.1996 habe ich mein altes Deckungsloch am Frischen Haff in Nordostpreußen noch einmal aufgesucht. Es war aufgrund der strategisch einmaligen Lage schnell gefunden. Es ist zwar zugewachsen und etwas zusammengefallen, aber es existiert noch und war noch 50 Jahren etwa knietief.

                Ein weiterer Besuch meines Deckungsloches erfolgte am 22.8.2000 gemeinsam mit dem Redakteur des Deutschlandfunks Herrn Dr. Henning von Löwis of Menar nach der Einweihung des Deutschen Soldatenfriedhofes in Pillau. Darüber erschien im November 2000 ein Bericht im "Rheinischen Merkur" (Siehe auch das Hörbuch: "Der weite Weg zurück nach Balga).

                Am 25.3.1945 wurde durch die Heeresführung endlich erlaubt, den völlig sinnlos gewordenen Kampf gegen die riesige Übermacht des russischen Gegners in Balga aufzugeben. Es wurde die Rettung über das Frische Haff erlaubt. Es hieß schließlich: "Rette sich wer kann!"




                Hermann Lohmann: Rettung über das Frische Haff 1945

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                  #9
                  Rettung über das Frische Haff 1945

                  Rettung über das Frische Haff 1945

                  Im März 1945 hatte sich unsere "Panzer-Division Hermann Göring" bei Balga am Frischen Haff der sowjetischen Großoffensive zu erwehren. Am 25.3.1945 wurde durch die Heeresführung endlich erlaubt, den völlig sinnlos gewordenen Kampf gegen die riesige Übermacht des russischen Gegners aufzugeben. Es wurde die Rettung über das Frische Haff erlaubt.

                  In der Nacht vom 27. auf den 28.3.1945 gelang es mir, mich über das Haff zu retten. Es herrschte totales Chaos am Strand. Der Russe schoss mit allem was ihm an Artillerie und Stalinorgeln zur Verfügung stand in die Menschenmassen am Strand hinein und auf die über das Haff mittels Booten und Flößen flüchtenden Soldaten. Verwundete schrieen überall. Sie wurden kaum oder gar nicht mehr versorgt. Ich dachte in diesem furchtbaren nächtlichen Chaos nur: Hoffentlich wirst du nicht verwundet, hoffentlich bist du gleich tot, wenn es dich treffen sollte.

                  Am 27.3.1945, es war eine dunkle, mondlose, aber sternklare Nacht, gespenstisch erleuchtet vom Feuer der Granateinschläge und der Brände am Haffufer. Das Krachen, Bersten und Heulen der Geschosse, das Schreien der Menschen, das Angstgewieher der Pferde war grausam - es war die Hölle. Trotz allem gelang es mir, auf einem Floß dem Inferno zu entkommen.


                  Als es dunkel wurde, stiegen wir auf ein selbstgebautes Floß, welches aus einer Scheunentür bestand. Darunter waren leere Benzinkanister mittels Telefondrähten und Nägeln befestigt. Als wir mit etwa zehn Mann und unseren Gewehren und Rucksäcken auf dem Floß standen, sprang vom flachen Strand noch ein junger Soldat einer fremden Einheit auf unser Floß. Das Floß trug uns nicht. Es ging am Strand unter. Als wir alles Gepäck weggeworfen hatten, trug das Floß noch immer nicht. Ein Mann musste von Bord gehen. Der junge fremde Soldat wurde aufgefordert zu gehen und als er nicht freiwillig ging, vom Floß gestoßen. Ich sehe ihn noch heute durch das seichte Wasser zum Strand zurückwaten. Er schrie: "Mama, hilf mir doch, hilf mir."

                  Das Floß hielt uns nur mühsam über Wasser. Auch mich wären die sich auf dem Floß befindenden Unteroffiziere und Wachmeister wohl am liebsten noch los gewesen. Aber sie hatten wohl Angst, sich alleine nicht orientieren zu können. Ich erklärte ihnen jedenfalls sehr schnell anhand der Sterne, die in dieser dunklen, mondlosen Nacht gut zu sehen waren, wo der Polarstern stehe und wo deshalb Norden sei. Ich weiß bis heute nicht, ob sich wirklich keiner auf dem Floß am Sternenhimmel auskannte. Ich blieb jedenfalls auf dem Floß. Vielleicht hat mir ja die in der Schule und als Hobbyastronom erworbene Kenntnis des Sternhimmels damals das Leben gerettet.

                  Einen Bericht hierzu schrieb ich meinen Eltern am nächsten Morgen in Neutief auf der Frischen Nehrung gegenüber Pillau. Es war ein seltsames Gefühl als plötzlich völlige Ruhe herrschte. Es wurde also gegenüber in Balga nicht mehr gekämpft. Der Russe hatte dort den Rest des Festlandes erobert. Es war eine seltsame, trügerische, unheimliche Ruhe, die ich nach all dem Chaos und Kampfeslärm irgendwie noch nicht begreifen konnte.

                  In dieser Stimmung schrieb ich an meine Eltern folgenden Brief, der noch am 6.4.1945 von einer Luftwaffeneinheit mit der Feldpost-Nr. L48912 Luftgau-Postamt Königsberg Ostpreußen abgestempelt worden ist. Erstaunlich ist, wie lange dort die Feldpost noch funktionierte, denn am 9.4.1945 hat Königsberg kapituliert. Ich habe den Brief mit Pillau, den 27.3.1945 datiert. Ich bin aber der Meinung, ihn in Neutief gegenüber von Pillau unmittelbar nach der Flucht über das Wasser des Haffs geschrieben zu haben. Es muss der 28.3.1945 gewesen sein, denn der Russe hat Balga am 28.3. eingenommen und es herrschte gegenüber auf dem Festland bereits absolute Ruhe.

                  "Pillau, d. 27.III.1945

                  Meine lieben Eltern! Ihr habt sicher große Angst um mich ausgestanden. Aber nun ist alles überstanden, denn ich bin mit dem Rest meiner Kameraden glücklich der Hölle von Balga entronnen. Es war wirklich furchtbar, was ich in den letzten Tagen erlebt habe. Aber gestern abend hatte alles ein Ende. Es wurde gerade dunkel, als wir uns ein Floß aus Holz und Benzinkanistern machten und ruderten mit Hilfe von Spaten vom Land weg übers Frische Haff. Wir waren mit 10 Mann auf einem Floß und mussten alles Gepäck wegwerfen, weil es sonst zu schwer geworden wäre. Als wir so 2 Stunden gerudert waren und schon der Erschöpfung nahe, kam die Rettung. Ein Seenotboot kam auf uns zu geschossen und nahm uns auf. War das ein herrliches Gefühl, als wir nun endlich geborgen waren.

                  Mitten in dieser Hölle erhielt ich noch 3 Briefe von Euch. 2 von Vater vom 21. u. 22.1. und von Mutter vom 10.2. Meinen allerherzlichsten Dank dafür. Es war wirklich eine Freude, als es mitten im Hexenkessel von Heiligenbeil hieß, es gibt Post und es waren 3 Briefe für mich dabei. Was ich in den letzten Tagen gesehen habe, kann ich Euch mit Worten gar nicht schildern. Aber jetzt geht es mir wieder sehr gut, denn nun sind wir geborgen. Hoffentlich geht es Euch auch noch einigermaßen und macht Euch der Tommy nicht zu viel Sorgen mit seinen Fliegern! Nun seid recht herzlich gegrüßt von Eurem Sohn Hermann.

                  Ich wollte mehr schreiben. Aber erstens geht es hier schlecht und zweitens bin ich sehr müde und mit den Nerven fertig."


                  Es herrschte allgemein bei unserer Einheit ein chaotisches Durcheinander. Wir wurden dann von Neutief nach Pillau gebracht. Dabei fanden sich auch etwa 80 Mann von ca. 300 Mann meiner Einheit unter anderem auch Fritz Speckmann und Franz Heieis wieder ein. Wir marschierten dann durch das Samland in Richtung Fischhausen. Wir lagen dort in einem Fichtenwald. Irgendwie haben wir uns dort im Wald mit unterwegs gefundenen Ausrüstungsgegenständen wie Zeltplanen und Decken wieder eingerichtet. Wir gruben im Wald eine 10-20 cm tiefe Mulde und machten sie eben. Dieser Liegeplatz für 3-4 Kameraden wurde dann mit Fichtenreisig ausgepolstert, um nicht auf der nackten Erde liegen zu müssen. Darüber haben wir wohl mittels Fichtenstangen ein Dach gebaut, welches wir mit Fichtenreisig abgedeckt haben, um etwas vor Regen geschützt zu sein.

                  Trotz allem haben wir den Mut nicht verloren. Wir hatten kein Brot. Aber neben uns im Wald lag eine pferdebespannte Trosseinheit, deren Planwagen bis oben hin mit Kommissbroten beladen waren. Obwohl wir um Brot baten, gab uns der Zahlmeister nichts. Wir griffen deshalb zu einer List. Zwei von uns Kameraden unterhielten sich mit der Wache und lenkten deren Aufmerksamkeit von den Planwagen ab. Währenddessen bestiegen andere von uns von hinten die Planwagen und nahmen sich mehrere Arme voll Brot. Das Brot wurde sofort unter den Kameraden unserer Einheit verteilt. In der letzten Phase des Rückzuges in Ostpreußen kam es oft vor, dass die Zahlmeister Verpflegungslager bis zuletzt verteidigten und an die eigene Truppe nichts herausgaben. Viele Verpflegungslager sind dadurch den Russen unversehrt in die Hände gefallen oder wurden im letzten Augenblick in die Luft gesprengt. Es ist aber auch öfter vorgekommen, dass Soldaten Zahlmeister gerade noch rechtzeitig, teilweise sogar mit Waffengewalt, gezwungen haben, die Verpflegungslager freizugeben. Wir brauchten jedenfalls kein schlechtes Gewissen zu haben, als wir uns das Brot nahmen.

                  Am 1. Ostertag, den 1. April 1945 lagen wir noch bei Fischhausen im Wald. Dort habe ich die Deutsche Frontzeitung "Der Stoßtrupp" erhalten, die ich bis zu Hause in meiner Bekleidung zusammen mit dem letzten Brief meiner Mutter bei mir getragen habe. Auch meinen Fotoapparat habe ich bis zu Hause im Brotbeutel mitgeschleppt und so gerettet. Dieses war nur möglich, weil ich nicht in einem Gefangenenlager war. In dieser letzten Frontzeitung ist der Kampf in Ostpreußen und die Schlacht am Frischen Haff vom Kriegsberichter A. Haas verhältnismäßig sachlich dargestellt. Allerdings stellt er trotz der katastrophalen deutschen Niederlage die Kämpfe der eigenen Kameraden und der deutschen Armee sehr positiv dar. Eine Betrachtungsweise, die auch heute noch in jeder Armee der Welt trotz eigener Niederlagen üblich ist. Die Vernichtung der Deutschen 4. Armee am Frischen Haff habe ich miterlebt und überlebt. Kurz nach Ostern 1945 erfolgte dann die Rettung über die Ostsee.




                  Hermann Lohmann: Rettung über die Ostsee 1945

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                    Rettung über die Ostsee 1945

                    Rettung über die Ostsee 1945

                    Im März 1945 nahm unsere "Panzer-Division Hermann Göring" an der Schlacht am Frischen Haff teil. Kurz nach Ostern 1945 erfolgte unser Abtransport zurück nach Pillau, um dort zwecks Rückführung der Reste der 2. Fallschirmpanzergrenadierdivision H.G. nach Mitteldeutschland auf ein Frachtschiff verladen zu werden.

                    Unmittelbar vor der Verladung auf einen Frachter gemeinsam mit Flüchtlingen und Verwundeten erlebten wir einen sehr massiven russischen Bombenangriff. Wir standen bereits auf der Hafenmole und es gab dort kaum Deckungsmöglichkeiten als Schutz vor den umherfliegenden Bombensplittern und Trümmern. Auf der Nachbarmole, so erinnere ich mich jedenfalls, gelang es mir mit meinem Seitengewehr (auf den Karabiner für den Nahkampf aufsteckbares langes dolchartiges Messer) schnell eine flache Mulde in das Erdreich zu kratzen, um wenigstens etwas Schutz zu haben. Glücklicherweise war diese Mole nicht gepflastert. Ich blieb unverletzt. Unser Schiff lag mit Schlagseite halbversunken im Hafenbecken. Ob es viele Verwundete und Tote im Hafen und an Bord gab, habe ich damals wohl nicht erfahren. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern oder wir sind sofort vom Hafen abgezogen worden.

                    Etwa am 7. oder 8. April 1945 nachmittags wurden wir dann auf ein anderes Frachtschiff verladen. Die Verladung gelang ohne Zwischenfälle. Es war ein holländisches Frachtschiff. An Bord sollen etwa 5.000 Menschen gewesen sein. Davon waren etwa die Hälfte Flüchtlinge. 2.500 Soldaten waren etwa an Bord. Davon etwa 1.000 Verwundete und ca. 1.500 kampffähige Soldaten, die aus Ostpreußen zwecks Einsatzes an anderer Stelle herausgezogen wurden. Darunter viele Angehörige unserer Division.

                    Die Menschen waren in den Frachträumen verteilt, die auf mehreren Etagen übereinander lagen. Auch auf Deck verteilt befanden sich Menschen. Ganz unten im Schiff zu liegen und völlig dem Schicksal des Schiffes ausgeliefert zu sein, war mir unheimlich. Ich hatte Angst, im Falle der Versenkung eingeschlossen zu werden und so hilflos ertrinken zu müssen. So hielt ich mich möglichst in der Nähe der obersten Ladeluke unter Deck auf, obwohl es dort relativ kalt war.

                    Am 9.4.45 lagen wir mit unserem Geleitzug wegen U-Bootgefahr vor Hela. Der Geleitzug soll aus 3 Transportschiffen, 2 Sicherungsbooten und 2 Minensuchbooten bestanden haben. Infolge eines russischen Bombenangriffs auf den Geleitzug fiel ein Schiff aus. Es war aber keines von den großen Frachtschiffen. Es sollen weitere Menschen an Bord gekommen sein. Ob alle gerettet wurden und wie viele es waren, habe ich nicht erfahren. Infolge der Menschenmassen an Bord habe ich damals eine Übernahme von Menschen nicht gesehen.

                    Endlich am 11. oder 12. April 1945 liefen wir nachts in den Hafen von Kopenhagen ein. In dieser Nacht fuhren wir an der friedensmäßig strahlend hell erleuchteten schwedischen Stadt Malmö vorbei. Mir wird stets in Erinnerung bleiben, wie diese Stadt hell erleuchtet leise an der Steuerbordseite an uns vorbeizuschweben schien. Es war wie eine Fata Morgana aus einer anderen Welt. Wir Soldaten waren damals verdreckt, die Uniformen teilweise zerrissen und dreckig. Wir waren verlaust. In dieser Situation kam uns eine so herrlich hell erleuchtete Stadt natürlich wie ein Wunder vor. So sah also der Frieden aus, nach dem wir uns so sehr sehnten. Wir schliefen dann in einer Schule in Kopenhagen. Endlich konnten wir uns dort ausstrecken und schlafen. Vor allem aber konnten wir uns endlich wieder einmal satt essen, denn es gab in Dänemark damals noch überall, auch in Gaststätten, genügend zu essen.

                    Nachdem Flüchtlinge und Verwundete ausgeladen waren, ging es wieder an Bord Richtung Swinemünde. Etwa am 13. oder 14.4.1945 kamen wir im Hafen von Swinemünde an. Beim Ausladen bekamen wir schon russischen Artilleriebeschuss. Der Russe war also bereits bis in den Raum Stettin vorgerückt. Das Frachtschiff, so erinnere ich mich, sah furchtbar aus. Infolge fehlender sanitärer Anlagen war das Schiff an allen Seiten mit einer gelbbraunen Kruste, die aus Menschenkot bestand, bedeckt.

                    Wir wurden schnell ausgeladen. Mittags ging es sofort mit einem Schnellboot weiter Richtung Stralsund. Wir fuhren mit hoher Geschwindigkeit an der Küste entlang. Es waren etwa 100 Soldaten an Bord. Viele konnten das heftige Auf und Ab des Bootes in den Wellen nicht vertragen. Sie wurden schwer seekrank. Ich denke da besonders an unseren österreichischen Leutnant Männel, der während der ganzen Fahrt todkrank über der Reling hing. Ich bin glücklicherweise nicht seekrank geworden.

                    In Stralsund wurden wir kurzfristig in einer Kaserne untergebracht. Dort wurden wir auch endlich von den sehr lästigen Kleiderläusen befreit. Das Läuseabsuchen und -knacken waren wir auch wirklich leid. Wir waren so verlaust, dass die Läuse in Scharen aus dem Nackenbereich herauskommend auf dem Kragen der Uniform herumspazierten, die wir uns dann gegenseitig absuchten. Endlich wurden wir nun davon erlöst. Alle Kleider einschließlich Unterwäsche und Uniform wurden abgegeben und stark erhitzt. Unterdessen konnten wir endlich unseren Körper unter den Duschen von dem Schmutz des Ostpreußeneinsatzes und restlichen Läusen befreien. Oh, war das eine Wohltat.

                    Anschließend ging es zwecks Neuaufstellung nach Sachsen, wo ich dann das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebte.




                    Hermann Lohmann: Kriegsende in Sachsen 1945

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                      #11
                      Das Kriegsende in Sachsen 1945

                      Das Kriegsende in Sachsen 1945

                      Nach schweren Kämpfen in Ostpreußen und der Rettung über die Ostsee wurden wir geretteten Soldaten der Fsch. Pz. Gren. Div. 2 H.G. zwecks Neuaufstellung im Raum Dresden etwa am 17.4.1945 zunächst mit der Eisenbahn über Berlin nach Jüterbog gebracht. Ich kann mich daran erinnern, dass wir in Berlin im Stettiner Bahnhof ausgestiegen sind. Wir sind dann dort über die umher liegenden Trümmer, die von Bombenangriffen herrührten, durch irgendwelche Unterführungen gestolpert, um dann den Zug nach Jüterbog zu erreichen.

                      Von Jüterbog aus zogen wir per Anhalter und teilweise zu Fuß weiter in den Raum Dresden-Großenhain. Auf diesem Weg hielt uns der "Heldenklau" an und wollte uns in so genannte Alarmeinheiten zwecks Fronteinsatzes im Raum Berlin stecken. Heldenklau nannten wir Soldaten die Angehörigen der Feldgendarmerie, die die Aufgabe hatte, versprengte und zurückgehende Soldaten aufzugreifen und an die Front zu schicken. In Ostpreußen habe ich gesehen, dass eigene deutsche Soldaten, angeblich wegen Feigheit vor dem Feinde, öffentlich erhängt worden waren. Um den Hals trugen sie ein Schild mit der Aufschrift "Ich war ein Feigling". Darunter am Baum war oft die Parole "Sieg oder Sibirien" angebracht. Das war sehr makaber. Wenn eine militärische Einheit soweit demoralisiert ist, dass sie ihre eigenen Soldaten öffentlich erhängt, um die Truppe zu disziplinieren, ist das Ende einer solchen Armee absehbar.

                      Uns ließ man in Mitteldeutschland weiterziehen. Es war wohl bekannt, dass eine Neuaufstellung und Auffrischung der Fallschirmpanzergrenadierdivision 2 H.G. im Bezirk Dresden geplant war. Seit unserem Marsch durch Sachsen weiß ich auch, was eine "Bemme" ist. Unterwegs fragten uns Frauen: "Jungs, wollt Ihr 'ne Bemme ham?" Zunächst sahen wir uns fragend an, bis wir begriffen hatten, dass eine "Bemme" ein belegtes Butterbrot ist. Gerne haben wir hungrigen Soldaten die belegten Brote von der Bevölkerung genommen. Es war rührend, wie für uns gesorgt wurde. Damals war diese Hilfeleistung selbstverständlich. Jeder hatte irgendwelche Angehörigen, die irgendwo im Krieg waren.

                      Bis Ende April gelangten wir in den Raum von Wehlen an der Elbe in der Nähe des Elbsandsteingebirges. Dort wurden wir 2 Wochen vor Kriegsende völlig neu ausgerüstet. Wir haben uns gewundert, dass noch soviel Material vorhanden war. Für uns Soldaten gab es alles neu: Unterwäsche, neue feste Lederschuhe, fabrikneue feldgraue Uniform mit Luftwaffenadler und "Hermann Göring" Ärmelband sowie einen neuen Luftwaffenrucksack, Kochgeschirr, Gasmaske, Gasplane und Brotbeutel mit Feldflasche usw. An neuen Infanteriewaffen gab es für uns Artilleristen: Schnellfeuergewehre, Maschinenpistolen und Pistolen. Das Artillerieregiment wurde mit neuen leichten Feldhaubitzen (LFH 10,5 cm) und schweren Feldhaubitzen (SFH 15 cm) als Artilleriegeschütze ausgerüstet.

                      Ich wurde als Vorgeschobener Artilleriebeobachter (VB) eingeteilt. Der VB hat die Aufgabe vorne in der Nähe der HKL die Feuerbefehle für die Geschütze zu geben und das Feuer zu beobachten und zu lenken. Meine Kameraden des Wettertrupps und andere Angehörige der Beobachtungsbatterie habe ich damals aus den Augen verloren. Wir wurden völlig verschiedenen Truppenteilen des Artillerieregimentes zugeteilt. Ein Gegenstoß gegen die russische Front mit der neuen Ausrüstung brachte noch mal etwa 80 km Geländegewinn. Der Russe zog sich schnell zurück. Dieser Erfolg brachte Selbstvertrauen in die Truppe.

                      In dieser Zeit ging in der Wehrmacht folgende Parole, von den Soldaten auch "Latrinenparole" genannt um: "Die Amerikaner unter General Patton bleiben stehen. Sie waren ohnehin schon bis nach Bayern und Sachsen vorgerückt. Sie beliefern die deutsche Armee mit Waffen und dann geht es gemeinsam gegen den Iwan." Es war eine große Begeisterung unter den Soldaten. Auch der Russe war zu der Zeit materialmäßig fast am Ende und wir glaubten die Russen mit Hilfe der Amerikaner in 4 Wochen aus Deutschland vertreiben zu können.

                      Der Nationalsozialismus war nach dem Tod Hitlers am 1. Mai 1945 ohnehin in Auflösung begriffen und wir hofften, dass sich der Stalinismus in Russland dann ebenfalls auflösen würde. Leider wurde damals nichts daraus. Es wäre der Menschheit viel Leid erspart geblieben. Am 2. Mai 1945 kapitulierte Berlin. In den nächsten Tagen wurden wir zunächst zum "Weißen Hirsch", einem Ortsteil Dresdens nördlich der Elbe verlegt. Dann fuhren wir durch das im Februar 1945 total zerstörte Stadtgebiet Dresdens nach Pirna südlich der Elbe. Oberhalb der Stadt Pirna auf dem Sonnenstein, nahe des dortigen Kleingartengeländes, richteten wir unsere Artillerie-Beobachtungsgestelle ein. Als ich mich in diesen Tagen durch das Gelände bewegte und die russischen Schlachtflieger fliegen und schießen sah, dachte ich bei mir: "Der Krieg muss doch nun bald vorbei sein. Hoffentlich kriegst du jetzt nicht noch eine verpasst." Außer russischen Flugzeugen war am Himmel kaum ein deutsches Flugzeug zu sehen. Allerdings sahen wir dort die ersten deutschen Düsenjagdflugzeuge Me 262 noch im Einsatz. Dieses Jagdflugzeug raste so schnell durch den Himmel, dass es schon verschwunden war, bevor wir es bemerkten. Diese Flugzeuge kamen aber viel zu spät zum Einsatz. Es gab damals allerdings keine gleichwertigen Gegner für diese Jagdflugzeuge.

                      Etwa am 6. Mai 1945 wurde ich mit noch einem Kameraden in Pirna in die dem Kleingartengelände gegenüberliegenden Kasernen geschickt, um von dort ein Scherenfernrohr zu holen. Als wir mit dem Scherenfernrohr über die Straße zurück wollten, sahen wir bereits die russischen Infanteriespitzen beiderseitig unter den Bäumen an den Straßenrändern auf uns zukommen. Darauf zu schießen, wäre sinnlos gewesen. Es wurde Zeit, dass wir schnell über die Straße rannten, um im Kleingartengelände zu verschwinden. So gelangten wir noch gerade unbehelligt zu unserer VB-Stelle. Der Russe war dabei, Pirna zu besetzen. In der ganzen Stadt schrieen die drangsalierten Frauen. Dieses furchtbare Schreien und Wehklagen der Bevölkerung, besonders der Frauen, welches von unten aus dem Tal direkt in unheimlicher Lautstärke zu uns auf den Berg hinauf drang, höre ich heute noch. Ich werde dieses furchtbare Erlebnis nicht los, zumal wir nicht helfen konnten.

                      1991 war ich wieder an diesem Ort oberhalb der Kleingartenkolonie und tatsächlich war jetzt der Verkehrslärm aus der im Tal liegenden Stadt Pirna dort oben außerordentlich laut zu hören.


                      Am 7.5.1945 bekamen wir den Befehl, uns in Richtung Tschechien zurückzuziehen. Wir sollten uns bei Außig zum Amerikaner durchschlagen. Dieser Befehl kam vom kommandierenden General Schörner, bevor er sich mit einem "Fieseler Storch", einem Kleinflugzeug, absetzte und sich persönlich in Sicherheit brachte.

                      Am 8.5.1945 kam der Befehl zur Kapitulation, welche am 9.5.1945 um 0.01 Uhr in Kraft trat.

                      Dieser Befehl hat uns, unterwegs in der Tschechei, direkt überhaupt nicht erreicht. Aber es sprach sich unter den Soldaten herum, dass Deutschland kapituliert habe und damit der Krieg vorbei sei. Wir waren zwar froh, dass das Kämpfen und Sterben nun endlich vorbei war, aber frei und glücklich fühlten wir uns nicht. Wir wussten nicht, welches Schicksal uns erwarten würde. Wir glaubten auch nicht, dass der Russe uns nach der Kapitulation, wie es das internationale Kriegsrecht gemäß Haager Landkriegsordnung (LKO) vorschreibt, nach der Entwaffnung unbehelligt nach Hause gehen lassen würde. Auch die anderen Alliierten beachteten die Haager Landkriegsordnung nicht. Gemäß LKO hätten nach der Kapitulation, also nach Kriegsende, keine Kriegsgefangenen mehr gemacht werden dürfen, sondern die Kriegsgegner hätten die deutschen Soldaten nach Entwaffnung ungehindert nach Hause gehen lassen müssen.

                      In der Tschechei kamen wir nicht weit. Den Russen bei Außig zu entkommen, war unmöglich. Als Berlin am 2. Mai 1945 kapituliert hatte, wurden russische Truppen frei, von denen wir dann sehr schnell eingeschlossen wurden. Es gab also kein entrinnen. Wir marschierten mit ca. 70 Mann innerhalb des Kessels bei Zinnwald über die Grenze zurück nach Deutschland. Wir waren infanteristisch noch voll bewaffnet und wurden deshalb von der tschechischen Bevölkerung, die an den Straßen stand, nicht angegriffen.

                      Im Osterzgebirge zogen wir uns in die Bergwälder zurück, um erst mal vor dem Zugriff der russischen Truppen in Sicherheit zu sein und unsere Lage in Ruhe klären zu können. Wir zogen in den Bergwäldern westwärts bis wir an ein Bergdorf kamen. Dort sahen wir, dass Frauen dabei waren, Bettlaken zu zerreißen, um weiße Armbinden für die Soldaten daraus zu machen. Wir sahen auch, dass am Ende des bergab führenden Weges ein russischer Soldat stand. Er ließ alle deutschen Soldaten, die eine weiße Armbinde hatten, nach kurzer Kontrolle unbehelligt weitergehen. Daraufhin fassten die meisten von uns und so auch ich den Mut, zu dem russischen Kommissar hinunterzugehen. Ich baute meine Maschinenpistole auseinander und warf die Einzelteile in verschiedene Richtungen in die Büsche. Von den Frauen erhielt ich auch eine weiße Armbinde und ging mit gemischten Gefühlen hinunter zu dem Russen. Der fragte in bestem Deutsch: "Du noch Waffen, Munition?" Ich sagte "nein". "Dann alle nach Hause nach Mutter".

                      Das Hinübergehen zu den Russen ging ja reibungsloser, als ich dachte. So zogen wir deutschen Soldaten dann entgegengesetzt zu den russischen Truppen auf derselben Straße. Die Russen zogen nach Süden Richtung Tschechoslowakei und wir gen Westen. Es gab verhältnismäßig wenig Übergriffe durch die Russen. Ich musste nur einmal irgendein Kraftfahrzeug mit anschieben helfen, worüber ich mich irgendwie doch innerlich erregte. Aber was sollte irgendeine Gegenreaktion. Wir mussten uns in unserer Lage eben fügen.

                      Sobald wir konnten, verließen wir die Hauptstraße und zogen auf Nebenstraßen durch die Berge. Unterwegs hatten wir immer wieder in den Straßengräben viele Tote liegen sehen. Es waren vielfach erschossene Angehörige von Polizeieinheiten, was an der hellgrünen Uniform zu erkennen war. Warum die Russen sie erschossen hatten, habe ich nicht erfahren können. Ich hatte sicherheitshalber mein Ärmelband mit der Aufschrift "Hermann Göring" abgetrennt und weggeworfen, um nicht sofort als Angehöriger dieser Eliteeinheit erkannt zu werden. Auch habe ich dann den Luftwaffenadler aus der feldgrauen Uniform herausgetrennt, denn es gab in der deutschen Wehrmacht nur eine Einheit, die feldgraue Uniform mit Luftwaffenadler trug, nämlich unser Fallschirmpanzerkorps H.G. Bei uns ging immer das Gerücht, dass bei den Russen ein Kopfgeld auf Angehörige des Fallschirmpanzerkorps H.G. ausgesetzt sei. Dies sei der Fall, seitdem die russische Eliteeinheit "Die Stalinschüler", die grundsätzlich keine Gefangenen machten, sondern alle Gegner vernichteten, von unseren Panzergrenadieren auch dementsprechend bekämpft und bei Warschau total aufgerieben wurde.

                      Aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrte Kameraden haben berichtet, dass alle Angehörigen des Fallschirmpanzerkorps sofort ohne Verhandlung zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurden. Auch mein Soldbuch und meine Erkennungsmarke habe ich damals weggeworfen, um in Gefangenschaft nicht als H.G.-Mann erkannt oder sofort erschossen zu werden. Im Falle meines Todes bei Kriegsende wäre auch ich genauso wie mein Bruder vermisst gewesen, weil ich nicht mehr zu identifizieren gewesen wäre.

                      Unterwegs im Erzgebirge sind mir öfter Soldaten begegnet, denen die Russen die guten Lederschuhe ausgezogen hatten und die sich nun mit den russischen Schuhen herumquälten oder auf Socken herumliefen, weil die Schuhe nicht passten. Meine neuen Schuhe haben die Russen auch wiederholt angeschaut. Aber meine Schuhe (Größe 47) waren ihnen wohl zu groß und so behielt ich meine Schuhe.

                      An der Ausrüstung der nach Süden ziehenden russischen Truppen konnte man erkennen, dass auch sie am Ende waren. Es waren wenig Motorfahrzeuge zu sehen. Vorwiegend zogen Pferdefuhrwerke, vor allem Panjewagen, mit vielen wohl erbeuteten Pferden und Massen von Soldaten aller russischen und asiatischen Rassen in erdbraunen Uniformen die Straßen entlang.

                      Am Ende dieses Tages gegen Abend verfolgten uns plötzlich russische Soldaten und riefen uns etwas zu. Wir begriffen nicht, was wir sollten, denn es war uns doch gesagt worden, wir könnten alle "nach Hause nach Mutter" gehen. Es wurde aber ernst. Die Russen schlugen uns mit Gewehrkolben ins Kreuz und riefen dabei: "Dawai, dawai". Sie trieben uns auf eine große Wiese, wo schon sehr viele Menschen lagerten. Im ersten Moment dachte ich noch, es seien alles befreite Gefangene. Nein, dann erkannte ich, dass es wohl an die tausend oder noch mehr deutsche Soldaten waren, die zusammengetrieben worden waren und dort auf der Erde saßen. Wir waren in russischer Kriegsgefangenschaft!




                      Hermann Lohmann: Gefangennahme durch die Rote Armee 1945

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                        #12
                        Gefangennahme durch die Rote Armee 1945

                        Gefangennahme durch die Rote Armee 1945

                        Nach dem in Sachsen erlebten Kriegsende 1945 geriet ich im Osterzgebirge in sowjetische Gefangenschaft. Inmitten einer Masse deutscher Soldaten saß ich auf einem Rasen und wartete, was nun wohl mit uns geschehen würde. Es war wohl etwa der 10. Mai 1945. Ich fand noch etwas Maschinenpistolenmunition in meinen Taschen und vergrub die Patronen in der Erde, um nicht erschossen zu werden, wenn die Munition gefunden werden würde. Spätabends kam ein Kommissar, der in gutem Deutsch zu uns sprach. Er sagte u.a. wörtlich: "Ihr kommt jetzt in ein Lager, kriegt Verpflegung und Papiere und dann alle nach Chause nach Mutter." Das hörte sich ja alles sehr positiv und beruhigend an. Aber ich glaubte dem Russen nicht. Ich war misstrauisch.

                        Sofort begann das Aufstellen der gefangenen Soldaten in 5er-Reihen, und so marschierten wir dann in die Nacht hinaus. Ich marschierte aus Sicherheitsgründen in der mittelsten Reihe. Ich dachte mir: "Wenn die Marschkolonne sich auflösen sollte, weil viele Soldaten zu fliehen versuchen, dann werden die Russen an der Kolonne entlang schießen, um die Gefangenen zusammen zu halten. Du bist dann erst mal durch die Außenreihen geschützt."

                        Aber es geschah nichts dergleichen. Im Gegenteil, die deutschen Soldaten freuten sich, dass nun endlich der Krieg vorbei war. Es war ihnen ja auch versprochen worden, dass sie alle "nach Hause nach Mutter" kämen. Auf dem nächtlichen Marsch sangen die deutschen Soldaten die schönsten Soldatenlieder mit einer Inbrunst, wie ich sie auf dem Kasernenhof oder auf Ausmärschen nie gehört habe. Die Russen saßen abseits der Straßen an Lagerfeuern und schossen vor Freude in die Luft und sangen ebenfalls. Es war eine irgendwie befreiende aber dennoch bedrückende Stimmung. Auf der einen Seite feierten die Sieger ihren Triumph und auf der anderen Seite zogen die Gefangenen, die besiegten Deutschen in die Nacht hinaus. Was sollte werden, denn ich traute den Russen nicht. So marschierten wir immer weiter in die Nacht hinein. Unterwegs konnte ich an den Straßenschildern erkennen, dass der Marsch Richtung Dresden ging.

                        Irgendwann so um Mitternacht musste die Gefangenenkolonne halten, weil auf der Hauptstraße vor uns Panzer fuhren. Die russischen Soldaten bewachten uns recht locker. Sie dachten wohl, dass kaum jemand fliehen würde, weil die deutschen Soldaten ja auch so schön gesungen hatten. Wir hielten in einem Wald. Rechts neben uns war eine dichte Fichtenschonung. Ich dachte, jetzt ist Gelegenheit zur Flucht und sagte zu meinen rechten Nebenmännern, die ich nicht kannte: "Lasst mich mal ins Außenglied." "Was willst Du denn?" "Ich will abhauen, ich trau dem Iwan nicht." "Welch ein Unsinn, warum willst Du Dich in Gefahr begeben, wir kommen doch alle nach Hause".

                        Keiner wollte mitkommen. Vielleicht war das mein Glück, denn die Gefangenenkolonne fing nicht an, sich aufzulösen. Alle blieben, dem Herdentrieb des Menschen gehorchend, beim großen Haufen. Jedenfalls habe ich als 19-Jähriger ganz alleine die Flucht gewagt. Ich habe mich langsam auf den Boden in die Hocke gesetzt und als nichts geschah, bin ich auf allen Vieren langsam, jedes Knacken der Zweige vermeidend, durch den Straßengraben etwa 100 Meter weit in die Fichtendickung gekrochen. Dort habe ich mich mit meinem Mantel zugedeckt und bin wohl infolge der Übermüdung sofort eingeschlafen. Als ich aufwachte, war es bereits hell geworden und mir war kalt. Die Sonne ging gerade auf. Es war wohl der 11. Mai 1945. Ich schlich vorsichtig an die Straße und nahm Deckung hinter einem aufgeschichteten Brennholzstapel. Der ganze nächtliche Spuk war verschwunden. Es war kein gefangener deutscher Soldat mehr zu sehen. Nur ab und zu fuhr ein russischer Panjewagen vorbei: Ich war allein.


                        Hermann Lohmann: Flucht nach Hause

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                          #13
                          Flucht nach Hause über den Fluss Saale

                          In den letzten beiden Berichten erzählt Hermann Lohmann von
                          seiner Flucht nach Hause. Zu dem zweiten Teil kommt man
                          über den Link am Textende .


                          Das Ende als Anfang


                          Flucht nach Hause über den Fluss Saale


                          Weiter ging es in Richtung Harz zur Saale zwischen Naumburg und Weißenfels. Anhand der Karte überlegte ich, wie wir am besten und ungeschoren zwischen den beiden Städten hindurch über die Saale kommen könnten. Landkarten der jeweiligen Gegend erhielt ich entweder von der Bevölkerung oder von Soldaten, die ich unterwegs traf. Es wurde getauscht. Soldaten, die nach Süden gingen, erhielten meine Karte und ich bekam eine nördlichere dafür.
                          Ich entschloss mich, es bei der Öblitz-Mühle, die ja nach der Karte zu urteilen, ziemlich einsam in der Mitte zwischen beiden Städten lag, zu versuchen. Also zogen wir auf Feldwegen dorthin. Wir standen dann doch etwas ratlos an der damals reißenden, Hochwasser führenden Saale. Uns kamen Zweifel, ob wir es schaffen würden, diesen Fluss am nächsten Tag zu durchschwimmen.
                          Als wir so dastanden und überlegten, trat ein Mann zu uns heran, der wohl aus der Mühle gekommen war und uns Soldaten in Uniform gesehen hatte. Mit Schrecken bemerkten wir, dass er eine weiße Armbinde trug, auf der „Police“ stand. Es war ein Pole, der als Polizist eingesetzt war. Er sprach gut Deutsch. Er fragte: „Wo wollt Ihr hin.“ Wir sagten: „Wir wollen über die Saale und dann weiter nach Hause“. Er sagte dann: „Ich habe hier ein Boot. Ich bringe Euch rüber. Ich muss nur eben meinen Kameraden Bescheid sagen.“ Als er in der Mühle verschwand, sagten wir zueinander: „Hiermit ist unser Weg nach Hause beendet. Wir haben keine Chance, hier zu entkommen, ohne Gefahr zu laufen erschossen zu werden. Also bleiben wir hier stehen und warten.“

                          Nach kurzer Zeit kam der Pole zurück. Er bat uns, in ein Boot zu steigen, das neben uns auf dem Wasser lag und an einem Pfahl festgebunden war. Dann ruderte er uns über die Hochwasser führende Saale. Am anderen Ufer angekommen, rauchten wir noch gemeinsam eine Zigarette. Mein Kamerad wollte dem Polen ein Frontkämpferpäckchen, das Schokolade und Zigaretten enthielt, schenken. Doch der Pole lehnte ab. Er sagte: „Behaltet das man selber Ihr braucht es nötiger als ich. Ich habe genug davon. Kommt gut nach Hause.“ Dann ruderte er zurück. Wir winkten einander noch zu. Dann zogen wir weiter.
                          Dieses Erlebnis ist mir stets im Gedächtnis geblieben. Seitdem sage ich immer: „Es gibt in jedem Volk der Erde gute und schlechte Menschen. Man sollte nicht verallgemeinern und sagen, die Deutschen oder die Polen sind schlecht.“

                          Hermann Lohmann, Zurück in der Heimat

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                            #14
                            Zurück in der Heimat

                            Zurück in der Heimat


                            Von Wendhausen aus ging ich weiter über Sülbeck, Boltersen, Walmsworth und Grevenhorn an der Alten Neetze entlang durch den Lüdersburger Wald „Großer Ort“. Am 28.Mai 1945 abends nach ca. 45 km Fußmarsch erreichte ich den Waldrand und sah zum ersten Mal nach fast zwei Jahren mein Heimatdorf Echem wieder.

                            Wie oft hatte ich in den letzten beiden Jahren diesen Augenblick herbeigesehnt. Nun lag das Dorf still und friedlich inmitten von grünen, blühenden Wiesen vor mir. Es war ein herzbewegendes und überwältigendes Glücksgefühl.

                            Auf der an den Wald grenzenden Weide erkannte ich Albert Soltau sen., der dort seine Kühe molk. Er hatte wohl Angst vor Polen, die zu der Zeit Artlenburg und Brietlingen besetzt hatten. Es wurde oft Vieh gestohlen. Deshalb hatte A. Soltau seine Kühe in die äußerste Ecke der Feldmark getrieben.
                            Ich war vorsichtig und setzte mich an dem Waldrand so hin, dass Herr Soltau mich nicht sehen konnte und wartete bis er wegging. Ich ging nicht zu ihm, um ihn zu begrüßen. Unterwegs hatte ich immer wieder gehört, dass Soldaten, die auf eigene Faust, ohne entlassen zu sein nach Hause gekommen waren, von den Alliierten sofort abgeholt wurden. Sie wurden dann in ein Gefangenenlager gesteckt.
                            In den Dörfern sprach sich damals natürlich sehr schnell herum, wer nach Hause gekommen war. Das blieb auch der Besatzungsmacht nicht verborgen.
                            Dieses Schicksal wollte ich mir ersparen. Niemand durfte mich sehen, bevor ich im Elternhaus war. Es hätte sich sonst auch hier im Dorf wie ein Lauffeuer herumgesprochen, dass ich heimgekehrt wäre. Am nächsten Tag hätte mich dann der Tommy abgeholt. Das wollte ich vermeiden.
                            Als Albert Soltau weg war, ging ich erst mal zu seinen Milchkannen, die, wie immer noch üblich, gefüllt mit offenem Deckel zwecks Kühlung nachts auf der Weide stehen blieben. Ich wusste ja wie man aus einem Milchkannendeckel trinkt. Ich hielt die drei Seitenlöcher zu, goss die frisch gemolkene Milch hinein und trank. Ach, wie köstlich schmeckte damals diese Milch.

                            Dann schlich ich in der Feldmark weiter von Busch zu Busch immer in Deckung bleibend. Ich hörte, dass im ehemaligen Arbeitsdienstlager Engländer lärmten. Das Dorf war also von Engländern besetzt. Ich schlich weiter in die Nähe des Dorfes und verbarg mich hinter einem Weidenbusch im Grenzgraben unseres Ackerlandes, der ohne Wasser war.
                            Da kamen Christoph Rosenberg und seine Frau auf unseren Acker, wohl um die Deckungslöcher der Engländer zu besichtigen, die diese vor der Elbüberquerung neben ihren Geschützen gegraben hatten. Ich machte mich im Seitengraben ganz lang, als sie direkt auf mich zukamen. Die beiden gingen etwa 3 m an mir vorbei und entdeckten mich glücklicherweise nicht. Jetzt wurde ich noch vorsichtiger und ließ es erst mal dunkel werden.
                            In der Dunkelheit schlich ich weiter zum Bahndamm in ein großes Weidengebüsch. Dort horchte ich wieder. Als alles still blieb, ging ich zum ersten Gartenzaun vor. Ich durfte auf keinen Fall einer englischen Streife in die Finger geraten. Als sich nichts rührte, ging ich von Zaun zu Zaun und kam wohl so um Mitternacht in unserem Garten an. Ich wusste nun nicht, ob meine Eltern im Haus waren oder ob es von Engländern besetzt war. Ich stellte mich unter das im Hochparterre gelegene Schlafzimmerfenster meiner Eltern und sagte irgendetwas in englischer Sprache. Daraufhin hörte ich wie meine Mutter auf Plattdeutsch zu meinem Vater sagte: „Die Engländer sind da, die können uns ja was tun.“ Als ich die Stimmen meiner Eltern erkannt hatte, gab ich mich zu erkennen. Meine Eltern sprangen aus den Betten und öffneten sofort ein Fenster und ich kletterte um Mitternacht in das Schlafzimmer meiner Eltern.

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                              #15
                              I tried to buy that book by John Stieber, but it's $70+ on amazon. Outrageous.

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